Markus Lau / Nils Neumann (Hg.): Das biblische Methodenseminar
Markus Lau / Nils Neumann (Hg.): Das biblische Methodenseminar. Kreative Impulse für Lehrende, UTB 4612, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, Pb., 364 S., € 34,99, ISBN 9783825246129
Exegetische Methodenbücher gibt es einige. Viele davon sind offensichtlich den eigenen Lehrveranstaltungen der Autoren entsprungen. Andere versuchen einen bestimmten hermeneutischen Ansatz methodisch umzusetzen. Jeweils bilden diejenigen, die Exegese lernen sollen, die Zielgruppe. Wenige jedoch richten sich direkt an den unterrichtenden Dozenten. Genau hier findet das rezensierte Buch seine Legitimation. Geboren aus einer hochschuldidaktischen Arbeitsgruppe haben die Autoren ein (mindestens an deutschen Universitäten typisches) Methodenseminar insgesamt und in seinen Teilen pädagogisch reflektiert. Die im Bolognaprozess immer wieder eingeforderte Kompetenzorientierung universitärer Lehre bildet die pädagogische Grundlage.
Die Autoren sind allesamt keine Bildungswissenschaftler, sondern Theologen, die in ihrer Mehrzahl selbst einige Erfahrung im Unterrichten exegetischer Proseminare haben. Sowohl die katholische als auch die evangelische Konfession sind vertreten.
Die Beiträge zu der Einführung- und Abschlussveranstaltung des anvisierten Proseminars setzen den Rahmen, durch den auch die Anlage des Buches begründet ist: Ganz im Zeichen der Zeit werden durch die einzelnen Beiträge verschiedene hermeneutische Zugänge zum Bibeltext repräsentiert. Bewusst wird nicht von exegetischen „Methodenschritten“ gesprochen, sondern von exegetischen Perspektiven, die in vier Gruppen eingeteilt werden: Textkonstituierung, synchrone, diachrone und rezeptionsorientierte Zugänge.
Die Kapitel selbst sind einheitlich strukturiert. Einer Hinführung zur jeweiligen exegetischen Perspektive, in der diese kurz rekapituliert wird, schließt sich, dem Kompetenzgedanken entsprechend, eine Formulierung der Lernziele an. Aktuelle Basisliteratur wird genannt. Den Kernteil der jeweiligen Kapitel machen didaktisch-methodische Anmerkungen aus, die sich jeweils auf das Alte bzw. Neue Testament beziehen (an konkreten Textbeispielen). Abschließend wird die Methode nochmals allgemein verortet und es werden weitere Ideen zur pädagogischen Ausgestaltung gegeben.
Neben den klassischen exegetischen Perspektiven wie z. B. Textkritik, linguistische Analyse, synoptischer Vergleich oder Literarkritik werden auch nicht so geläufige Ansätze beschrieben und didaktisch eingeführt, wie z. B. die Analyse der Raumkonstruktionen oder im Kapitel zur Intermedialität. Diese Kapitel regen zum Nachdenken an, auch wenn sich der erwartbare Nutzen auf eher wenige Bibeltexte erstreckt. Besondere Highlights sind die Beiträge zur Charakterisierung, zur pragmatischen Analyse und der Motivkritik.
Erfreulich ist die Absicht der Autoren immer auch den Erkenntnisgewinn der einzelnen Schritte zu beschreiben, durchaus auch kritisch. Besonders relevant wird dies aus evangelikaler Sicht natürlich bei den diachronen Methoden. Bei den rezeptionsorientierten Zugängen wird nicht immer ganz deutlich, warum sie in einem Band zur Exegese zu finden sind, denn in ihnen geht es nicht vorrangig um das Verständnis des Textes, sondern eher um Möglichkeiten, wie der Text zu (be)nutzen wäre, bzw. darum mögliche Instrumentalisierungen zu beschreiben. Eine Ausnahme bietet der Teil zur Intermedialität, der neben rezeptionsgeschichtlichen Aspekten auch auf die in der Bibel selbst immer wieder thematisierte Spannung von oralem und schriftlichem Text eingeht.
Weder die Einführung, noch die einzelnen Kapitel sind mit didaktisch-pädagogischem Ballast behaftet. Dabei wirken die Teile des Buches jedoch diesbezüglich nicht unfundiert. Der Anlage des Bandes als Praxisbuch wird damit Rechnung getragen. Auch werden nicht durchgängig Kenntnisse der Ursprachen seitens der Adressaten des Proseminars vorausgesetzt (es gibt auch ein Kapitel zum Übersetzungsvergleich) – sicherlich interessant für eine breitere unmittelbare Nutzbarkeit des Buchs. Die Vorschläge zu den pädagogischen Einführungen sind gut überlegt und bilden oft eine nachvollziehbare Brücke zur Welt der Studenten. Besonderes Augenmerk beim Versuch, die Vorschläge des Sammelbandes umzusetzen, sollte auf den Faktor Zeit in den Seminarsitzungen gelenkt werden. Aber hier spielt natürlich die Gewichtung des Seminars bezogen auf die ECTS Points eine große Rolle.
Sehr sinnvoll und inspirierend sind die abschließende Reflexion zu Prüfungsformen, welche nochmals auf die Kompetenzorientierung Bezug nimmt, und die umfangreiche Sammlung von Materialanhängen zu einzelnen Methodenkapiteln.
Aus evangelikaler Perspektive ist es erfreulich, dass den Autoren abzuspüren ist, dass die Bibel als Wort Gottes in ihrem Gegenwartsbezug und damit ihrer Aktualität für Kirche und Gesellschaft ernst genommen wird. Das exegetische Proseminar ist eines der grundlegenden Module des Theologiestudiums. Dabei legt das vorliegende Buch großen Wert darauf, dass Exegese kein Selbstzweck ist, sondern in dem und für den größeren Kontext des Theologiestudiums und der Kirche eine wichtige Rolle spielt. Es kann nur im Sinne der Reformatoren sein, wenn heutige Studenten eine Begeisterung für die nähere Beschäftigung mit der Bibel pädagogisch reflektiert und dynamisch motiviert nahegebracht wird.
Gerade für Lehrende, die ihre ersten Schritte in Sachen Exegese im Rahmen einer klassischen, auf Fachkenntnisse fokussierten Veranstaltung gegangen sind, bietet der Sammelband gute und durchaus umsetzbare Anstöße, das Konzept der Kompetenzorientierung auch in ihrer Lehre umzusetzen. Die vielen Beispiele und praktischen didaktisch orientierten Tipps regen zur Reflexion des eigenen Unterrichts an. Mit etwas didaktischer Erfahrung und einer Prise Mut, Dinge auch einmal anders zu machen, lässt sich vieles aus diesem Buch lernen – und umsetzen.
Dr. Stefan Kürle, Dozent für biblische Theologie am Theologischen Studienzentrum Berlin
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