Altes Testament

Bart J. Koet / Archibald L. H. M. van Wieringen (Hg.): Multiple Teachers in Biblical Texts

Bart J. Koet / Archibald L. H. M. van Wieringen (Hg.): Multiple Teachers in Biblical Texts, Contributions to Biblical Exegesis and Theology 88, Leuven et al.: Peeters, 2017, IX+250 S., € 70,–, ISBN 978-90-429-3542-6

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Mit ihrer Aussage („to explore the roles of teacher and disciple from a textual perspective“; 4) wecken Bart J. Koet und Archibald L.H.M. van Wieringen ebenso hohe Erwartungen wie mit dem Buchtitel. Die einleitenden Seiten „In Search of Teachers and Disciples“ (1–7) nähren diese Hoffnung, so dass das Buch als Ganzes diese hohe Latte (gefühlt) gar nicht überspringen kann. Dennoch ist es offensichtlich, dass die vorlegten Aufsätze vieles erreichen und viele Aspekte aufzeigen, die zum Weiterdenken anregen. Das gilt auch – oder vielleicht gerade weil – die eine oder andere Frage noch offen bleibt. Diese Sammlung ist Wim Beuken gewidmet, der wohl das Interesse an diesen Fragestellungen bei vielen geweckt oder gefördert hat. Ich hoffe, dass die Beiträge in ihrer Vielfalt und Qualität ihm ebenso Freude bereiten, wie dies bei mir der Fall war. Vielleicht hätte die Verbindung zu ihm an der einen oder anderen Stelle noch deutlicher aufleuchten können.

Nach Peit J. van Midden und van Wieringens „Moses as a Teacher in the Narration about the Gold Bullock. A Communication-Oriented Exegesis of Exodus 32“ (9–28), stellen Christiaan Erwich und Eep Taalstra mit ihrem „The Text as Our Teacher. Participant Tracking in Psalm 64“ (29–47) das Ph.D.-Projekt von Erwich mit der erkenntnisleitenden Frage vor, inwiefern ein zeitlich vorgelagerter  Fokus auf syntaktische Strukturen und das Zusammenspiel verschiedener (auf Textebene) aktiver Teilnehmer Auslegung beeinflusst (32). Dieser Beitrag behandelt beispielhaft Psalm 64 und weckt die Vorfreude auf die fertige Arbeit, auch wenn mit dieser methodischen Reihenfolge  keine neutrale Instanz die Bühne betritt und alle anderen Auslegungen in den Schatten stellt. Aber zweifelsfrei führt es zu einer aufmerksamen Lektüre der Texte, stellt allzu schnelle und vielleicht manchmal mehr oder minder bewährte Perspektiven erfrischend infrage, um zum weiteren Nachdenken anzuregen.

Harm W.M. van Grols „Coping with Hellenistic Neighbours. Psalms 137–145: An Initiation into Royal Warriorship“ (49–71) trägt viele interessante Beobachtungen zu Ps 137–145 zusammen. Er beschreibt diese Sammlung als „textbook for initiation into a community of anti-assimilationists“ (49). Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – van Grol seinen Beitrag mit der Aussage beginnt, dass „Psalms 137–145 do not contain any teaching“ und sich dagegen wehrt, dass die Sammlung „a narrative or a drama“ (53) ist, weckt er mit seiner Untersuchung das Interesse an diesen Perspektiven. Seine Ausführungen demonstrieren die Wahrheit von Aristoteles‘ Aussage, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Natürlich liegt keine Erzählung vor. Schließlich haben wir es mit einer (Teil-) Sammlung von Psalmen zu tun. Und doch erzählen sie eine Geschichte, wie auch van Grol von einem „narrative plot“ spricht (69). Wie könnte ein solches Lehrbuch (textbook) auch anders sein Ziel erreichen als wenn es (auch) eine Geschichte erzählt? Der vorliegende Beitrag ist m. E. auf verschiedenen Ebenen sehr wertvoll und fordert heraus, auf verschiedenen Ebenen über diese Sammlung nachzudenken, auch wenn ihre Abgrenzung nicht unbedingt leicht nachvollziehbar ist. Einzelne Aussagen mögen vielleicht auch gerade deswegen zum Nachdenken anregen (wie seine zentrale These), weil man über manche Implikationen und Aspekte stolpert. Beispielsweise erschließt sich mir nicht, warum ein Text, der zur Treue (zur eigenen Tradition) im Exil ermutigt, nach dem Exil seine Funktion verliert (59). Kann man etwa aus dem Exil zurückkehren? Körperlich vielleicht, aber davon handelt er mit seinem Beitrag ja nicht, oder?

Viele Aufsätze sind von der Unterscheidung zwischen dem impliziten und dem realen Leser geprägt und lenken die Aufmerksamkeit auf weitere Unterscheidungen mit Blick auf Lehr- oder Kommunikationssituationen. Bei aller Vielfalt der Themen und untersuchten Textstellen verbindet diese Perspektive die vorliegenden Beiträge und demonstriert auf diese Weise sowohl ihren heuristischen, exegetischen und theologischen Wert als auch ihre Grenzen. Viele Aufsätze sind gut zu lesen, regen zum Weiterdenken an und fokussieren wichtige Aspekte der untersuchten Texte. So gelingt es Sehoon Jang „God as the Wise Teacher in Job“ (73–88) die Bedeutung der Gottesreden für ein Lehrer-Schüler Verhältnis von Gott und Hiob darzulegen. Dabei kommt nicht nur das exegetische und literarische Gewicht von Hiob 38–41 sehr gut zum Ausdruck, sondern auch der Kontrast zwischen den Freunden und Gott: Nicht die Freude sind weise und gute Lehrer, sondern Gott selbst in seiner Begegnung mit Hiob.

Auch Archibald L.H.W. Van Wieringens „The Triple-Layered Communication in the Book of Amos and Its Message of Non-Appropriation Theology“ (89–106) trägt bedenkenswerte und diskussionswürdige Perspektiven vor. Anhand von Amos 1,1–2; 1,3–2,16; 7,10–17 und 9,1–4 legt er dar, wie sich die Kommunikation jeweils für das Nord- und Südreich sowie für den textimmanenten Leser vollzieht. Dabei legt er insbesondere Wert auf die „,non-appropriation theology‘, a theology which implies that man is not allowed to claim God’s promises and blessing for himself“ (89).

Solomon Pasalas „Multiple Teachers and Disciples in Mt 8–9“ (107–124) behandelt die Frage nach Jesu Autorität und Gehorsam in Mt 8–9 ausgehend von Mt 7,28–29. Das fördert viele interessante Aspekte zutage. Überraschend bleibt, dass dabei Mt 7,24–27 keine Rolle spielt.

Allen Aufsätzen gelingt es, Beachtenswertes über Lehrer und Lehren anhand der biblischen Texte herauszuarbeiten so auch Lauri Thuréns „Multiple Communication Layers and the Enigma of the Last Judgment (Matt 25,31–46)“ (125–146), Peter J. Tomsons „Paul as a Recipient and Teacher of Tradition“ (185–205) und Eric Ottenheijms „Hillel as a Teacher: Sayings and Narratives“ (207–224). Jan van der Watt beleuchtet mit „Education and Teaching in John’s Gospel“ (169–184) nicht nur die Beziehung von Jesus zu seinem Vater unter diesen Gesichtspunkten, sondern auch die Bedeutung dieser Thematik für das Johannesevangelium. Wer sich auf das Gespräch mit ihnen einlässt, wird darüber hinaus auch Impulse für das eigene Lehren entdecken wie nicht zuletzt in Bart J. Koets „A Tale of Two Teachers: Jesus about Jesus and John the Baptist (Luke 7,18–35)“ (147–168). Dabei fällt auf, dass in vielen Fällen der Text selbst zum Lehrer wird, wie es auch Toke Elshof beobachtet; vgl. „Religious Teachers and Students on Biblical Teaching and Discipleship. An Account of a Recent Exploration,“ 225 (225–237).

 

Heiko Wenzel, Ph.D. (Wheaton College), Professor für Altes Testament an der FTH Gießen