Beat Schweitzer: Design in der Natur
Beat Schweitzer: Design in der Natur. Von der Physikotheologie zu Intelligent Design, STM 26, Gießen: Brunnen, 2016, Pb., VII+308 S., € 35,–, ISBN 978-3-7655-9566-0
Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich um die im Wintersemester 2014/15 an der Universität Regensburg angenommene theologische Dissertationsschrift Beat Schweitzers. Der Autor hatte zuvor bereits im Bereich der Biologie promoviert und arbeitet als Leiter des Studiengangs „Kommunikative Theologie“ am Theologischen Seminar St. Chrischona. In vorliegender Arbeit untersucht er die Argumente des Intelligent Design (ID) vor einem breiten historischen Hintergrund, um so einen Beitrag zum Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft zu leisten.
In der Einleitung nennt Schweitzer drei Ziele der Arbeit: 1.) Zwischen ID und ID-Bewegung zu differenzieren, statt religiös-politische Motive mit den Sachargumenten gleichzusetzen, 2.) ID mit Physikotheologie zu vergleichen und insbesondere zu untersuchen, inwieweit ID über die von Hume und Kant an jener geäußerten Kritik hinausgehen kann, und 3.) zu fragen, was ID zum Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie beitragen kann. Unter ID versteht der Autor den „Versuch, mittels empirischer Argumente auf das Vorhandensein eines Designers zu schließen“ (10). Im Anschluss an die Einleitung (1–20) werden daher unter der Überschrift Die Erkennbarkeit Gottes aus der Natur (21–52) sowohl die Problematik der natürlichen Theologie als auch Gottesbeweise und Kants Kritik daran knapp dargestellt.
Anschließend werden in dem ersten zentralen Kapitel Das Design-Argument der Physikotheologie (53–144) bedeutende englische Physikotheologen sowie die Kritik Humes und Kants an der physikotheologischen Argumentation vorgestellt. Es gibt, in historischer Reihenfolge, Abschnitte zu Robert Boyle, den Boyle Lectures, John Ray, William Derham, David Hume, Immanuel Kant und William Paley. Nach einer Darstellung des Lebens wird jeweils anhand des bedeutendsten Werks die Argumentation der Person entfaltet und kurz ausgewertet. Schweitzer gelangt zu dem Fazit, dass die Physikotheologen immer nur den Gott in der Natur fanden, den sie bereits kannten, allerdings auch keinen metaphysischen Gottesbeweis führen wollten. Außerdem scheiterte die Physikotheologie an ihrem statischen Naturverständnis, das bald überholt sein sollte.
Ein geschichtlicher Überblick zur Evolutionstheorie (145–184) ist ein weiteres Kapitel, das dazu dient, der Diskussion einen breiteren Hintergrund zu verleihen. Darauf folgt das zweite zentrale Kapitel Moderne Biologie und Design (185–248). Nach einer knappen Darstellung der synthetischen Evolutionstheorie und dem Umgang mit Teleologie in der modernen Biologie wird ID diskutiert. Zentral ist die Darstellung und Bewertung der bedeutendsten Argumente: der irreduziblen Komplexität (Behe), der spezifizierten Komplexität und des Erklärungsfilters (Dembski), des Analogieschlusses (allgemein) und des spezifischen Designs (Wort und Wissen). Jedes dieser Argumente wird kritisch diskutiert. In allen Fällen gelangt Schweitzer zu dem Schluss, dass die Argumentation „formal nicht logisch zwingend überzeugen“ kann (225; fast identisch 234, 238 und 243) und eher „argument to design“ als „argument from design“ vorliegt, dass also der Gott, nach dem man sucht, in der Natur gefunden wird, weil man ihn bereits vorher kannte. So könnten ID-Argumente zur Stärkung oder Rechtfertigung des eigenen Glaubens dienen, aber nicht zum Erkennen von Design in der Natur zwingen. Im letzten Teilabschnitt des Kapitels, Die Frage nach dem Mechanismus (243–247), wird die Erklärung von ID-Vertretern, aus prinzipiellen Gründen keinen Mechanismus für Design angeben zu können, der von Kritikern geäußerten Forderung nach einem solchen gegenübergestellt.
Das sechste Kapitel Ergebnisse und Ausblick (249–276) fasst die Darstellung zusammen. Zunächst wird der Vergleich zwischen Physikotheologie und ID gezogen. ID hat kein statisches Naturverständnis und (im Allgemeinen) wird die gemeinsame Abstammung der Arten nicht geleugnet. Der Fokus von ID liegt nicht auf der Teleologie und so kommt es nicht zu einer zu starken Betonung der Zweckmäßigkeit der Natur. In diesen Hinsichten geht ID über die Physikotheologie hinaus. Doch der zwingende Nachweis von Design, und damit eines Designers, gelingt nach Schweitzer nicht, und so bleiben Design und Naturalismus mögliche Interpretationen der Wirklichkeit, von denen keine metaphysisch überhöht werden darf. Es folgt ein Ausblick und das Buch schließt mit einem Literaturverzeichnis, enthält allerdings keine Register.
In formaler Hinsicht kritisch anzumerken sind kleinere Unstimmigkeiten im Aufbau. Häufiger werden in auswertenden Abschnitten zunächst neue Informationen eingeführt und die beiden historischen Abrisse der Kapitel 2 und 4 werden kaum in die Analyse eingebunden und erscheinen so etwas isoliert. Ansonsten ist das Buch klar strukturiert, verständlich geschrieben und berücksichtigt eine Vielzahl von Quellenmaterial und Sekundärliteratur aus Theologie und Biologie.
Inhaltlich werden einige berechtigte Anfragen an die Argumentationen der ID-Vertreter vorgebracht – z. B. warum Behe alternative Erklärungsmöglichkeiten so schnell ausschließen kann, woher Dembski die Zahlen nimmt, mit denen er rechnet, und ob die Analogie zwischen designten mechanischen Gegenständen und Lebewesen wirklich so einfach gezogen werden kann. Der durch den Autor geäußerte Zirkelschlussvorwurf, dass immer nur der Designer gefunden wird, den man bereits (versteckt) voraussetzt, scheint implizit vorauszusetzen, dass objektive Rationalität nicht existiert oder auf jeden Fall nicht durch den Menschen erkennbar ist – eine Position, die zumindest diskutiert werden müsste. Auch Humes und Kants Kritik hätte genauer auf den Prüfstand gestellt werden können. Der größte inhaltliche Mangel ist die fehlende Präzisierung, an welchem Anspruch ID warum gemessen wird. Um zu wissen, dass ID „nicht logisch zwingend“ ist, genügt das Wissen darum, dass ID empirisch vorgehen will. Nach dem Eindruck des Rezensenten ist den besprochenen Vertretern von ID dies durchaus bewusst (auch wenn es manche Spitzenaussagen von ID-Vertretern gibt, die klingen, als ob Design zweifelsfrei beweisbar wäre). Aber um etwa einzufordern, in der wissenschaftlichen Diskussion oder schulischen Bildung berücksichtigt zu werden, muss ID keine logisch zwingenden Beweise vorlegen, sondern den Ansprüchen genügen, die für naturwissenschaftliche Erklärungsversuche im allgemeinen gelten. Welche dies sind, ist natürlich höchst umstritten. Gerade darum hätte eine explizite Klärung der Erwartungen, an denen ID gemessen wird, der Dissertationsschrift gut getan. So bleibt auch der Schluss, dass ihre Argumentation dennoch zur Versicherung des Glaubens dienen kann, etwas unscharf: Warum und inwiefern genau sind Argumente, die in der naturwissenschaftlichen Diskussion nicht überzeugen können, zur Versicherung des Glaubens ausreichend? Die Differenzierung zwischen Argumentation und Motiven hingegen gelingt gut – der respektvolle Ton und die Bemühung zur fairen Darstellung in diesem Minenfeld sind äußerst erfreulich. Ein Höhepunkt in dieser Richtung ist nach Ansicht des Rezensenten der oben bereits erwähnte Abschnitt Die Frage nach dem Mechanismus (5.3.8). Auch der Vergleich zwischen Physikotheologie und ID ist gut nachvollziehbar.
So liegt insgesamt ein Buch zum Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie vor, dessen Ton man sich für manch anderen Beitrag wünschen würde, und dessen historische Ausführungen man auch dann mit Gewinn wird lesen können, wenn einen nicht jedes Detail der Argumentation überzeugt.
Jens Kosiol, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Mathematik und Informatik der Philipps-Universität Marburg
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