Historische Theologie

Stefan Bork / Claudia Gärtner: Kirchengeschichtsdidaktik

Stefan Bork / Claudia Gärtner: Kirchengeschichtsdidaktik. Verortungen zwischen Religionspädagogik, Kirchengeschichte und Geschichtsdidaktik, Religionspädagogik innovativ 12, Stuttgart: Kohlhammer, 2016, br., 269 S., € 40,–, ISBN 978-3-17-030944-9, E-Book 978-3-17-030945-6

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Dieser Sammelband enthält insgesamt 18 Beiträge, in deren Zentrum die Disziplin Kirchengeschichtsdidaktik steht. Dabei soll der Bezug zu Nachbardisziplinen oder bestimmten Methoden beleuchtet werden. Die Beiträge bewegen sich eher auf theoretischem Niveau. Manchmal werden konkrete Beispiele eingeflochten, aber nur selten praktische Anregungen für den Unterricht. Beim kirchengeschichtlichen Unterricht ist sowohl an die Sekundarstufe (Schüler ab dem Alter von 10 Jahren) als auch an die Hochschule gedacht. Viele Beiträge verweisen darauf, dass Geschichte bei Schülern ein ungünstiges Image hat, im Sinne einer Aneinanderreihung trockener Fakten. Andererseits stößt Geschichte auf großes Interesse, wenn es gelingt, sie lebendig werden zu lassen. Durch die Vielzahl der Beitragenden sind Wiederholungen wohl unvermeidlich. So etwa kehrt der Befund, dass die Kirchengeschichte im RU nur eine Nebenrolle spielt, oft wieder.

Es fehlen Register am Ende des Buches, was ein rasches Auffinden bestimmter Themen erschwert. Jeder Beitrag beginnt mit einem englischen abstract, wodurch der Leser über den jeweiligen Beitragstitel hinaus einen ungefähren Eindruck vom Inhalt erhält. Die Mitherausgeberin Claudia Gärtner ist Professorin am katholischen Lehrstuhl für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der TU Dortmund; dort war der Mitherausgeber Stefan Bork Mitarbeiter, jetzt ist er Referendar an einem Gymnasium.

Im Folgenden gehe ich die einzelnen Beiträge durch, wobei ich zuerst das jeweilige Bezugsgebiet (quasi einen Kurztitel des Beitrags) anführe, dann den Autor des Beitrags nenne, und schließlich einzelne Gedanken herausgreife. Dadurch wird zwar nicht der Inhalt des jeweiligen Beitrags ausreichend charakterisiert, aber es entsteht ein Eindruck vom Gehalt des Sammelbandes insgesamt. Eine darüber hinausgehende sorgfältige Kritik so vieler unterschiedlicher Beiträge wäre im Rahmen weniger Sätze sowieso kaum möglich.

  • Hinführung: Die beiden Herausgeber verweisen darauf, dass „Kirchengeschichtsdidaktik“ noch kein etabliertes Forschungsfeld ist. Der vorliegende Sammelband ist das schriftliche Ergebnis der Tagung „Geschichte verwurzeln“ von 2014. Die Beiträge sind auf folgende drei Hauptteile des Sammelbandes aufgeteilt: Forschungsstand, innovative Ansätze, Lehrpraxis.
  • Kirchengeschichte: Norbert Köster befasst sich mit der Frage, welche Inhalte heutige Jugendliche interessieren. Er erläutert das Diözesan-Museum Kolumba in Köln, das seit 2007 in einem neuen Bau präsentiert wird (jeder Epoche entspricht eine passende Bauform).
  • Geschichtsdidaktik: Stefan Bork referiert eine Untergliederung des Geschichtsbewusstseins, u. a. in Temporal-, Wirklichkeits-, Wandelbewusstsein. Bork erinnert schließlich an die Bedeutung des Erzählens: „Geschichte ist Geschichten“ (42). Der Ausspruch Jesu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (44) bietet einen biblischen Anhaltspunkt für die Beschäftigung mit Geschichte.
  • Religionspädagogik: Klaus König erwähnt drei Zugänge: Das deduktiv-theologische Modell (geht von der jeweiligen Konfession aus), das induktiv-identitätsorientierte (geht von Erfahrungen der Schüler aus) sowie das abduktiv-kulturhermeneutische (geht von religiösen Elementen in der Kultur aus).
  • Kunstgeschichte: Barbara Welzel beleuchtet die anhand von z. B. Kirchengebäuden möglichen Erkenntnisse.
  • Zweites Vatikanisches Konzil: Wilhelm Damberg reflektiert mehrere Veränderungen in der Geschichtshaltung infolge dieses Wendepunktes.
  • Die Geschichtsdidaktik wird von Markus Kroll und Benjamin Städter mit der Kirchengeschichtsdidaktik verglichen, und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede werden aufgezeigt.
  • Religionsdidaktik und Historische Theologie sollten nach Meinung von Harald Schwillus von ihren jeweiligen Anliegen ausgehend miteinander zusammenarbeiten.
  • Evangelische Praxis: Harmjan Dam unterscheidet drei Anliegen der Kirchengeschichte: roter Faden für den RU (1900–70), evangelische Vorbilder (1950–80), Problemorientierung (1970–heute). Dam verweist darauf, dass es noch kaum Forschung zur Nachhaltung des Schul-Unterrichts in kirchengeschichtlichen Themen gibt.
  • Künstlerische Gestaltung: Claudia Gärtner befasst sich mit künstlerisch-kulturellen Objekten; solche genießen in der Gesellschaft gegenwärtig hohes Ansehen, sind aber für die Kirchengeschichte und den Religionsunterricht noch wenig beachtet worden.
  • Kompetenzorientierung (Bologna-Prozess): Florian Bock und Andreas Henkelmann verweisen auf Umfragen unter Studierenden, wonach diese zwar mit dem Theologiestudium insgesamt sehr zufrieden sind, nicht aber mit der methodischen und didaktischen Gestaltung der Lehrveranstaltungen.
  • Katholische Religionslehre: Kirsten Gläsel verweist darauf, dass die Kirchengeschichte darin kein verpflichtender Inhalt ist (nämlich in den Kernlehrplänen kein eigenes „Inhaltsfeld“ hat), und dass daher eine passende Aufbereitung zur Verwendung durch Religionslehrer umso wichtiger ist.
  • Reformatorische Flugschriften von Frauen: Heidrun Dierk und Florian Bock beschreiben den „Aufbruch der Laien“ in der frühen Reformationszeit, die eine „Theologie für das Volk“ (175) hervorbrachte.
  • Außerschulische Lernorte, wie Kirchen oder Museen: Norbert Köster weist auf diese vernachlässigte Möglichkeit hin, und erläutert die Lernaufgaben Erkundung, Rekonstruktion/Imagination und Deutung/Hinterfragen.
  • Biografien: Konstantin Lindner erörtert Chancen und Grenzen dieses Zugangs, und gibt konkrete Tipps für eine Beschäftigung mit dem Wirken von Karl dem Großen.
  • Historische Romane: Stefan Bork sieht in der Verwertung geschichtlicher Stoffe in Filmen und Romanen eine Chance auch für die Kirchengeschichte, und versucht die Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion zu hinterfragen.
  • Traditionsobjekte: Lena Tacke bespricht Reliquie und Reliquiar als mögliche Themen.
  • Der Sammelband schließt mit einer Standortbestimmung der Herausgeber. Sie bündeln wissenschaftstheoretische Fragestellungen wie z. „Was ist überhaupt Kirchengeschichte?“ (258), fachdidaktische Fragestellungen wie z. B. die Themenauswahl, und schließen mit Anregungen für Lehrerbildung und Religionsunterricht.

Dieser Sammelband zur Kirchengeschichtsdidaktik präsentiert die vielen fachlichen Bezüge auf einer theoretischen Ebene. Wer jedoch konkrete Anregungen für sein eigenes Kirchengeschichte-Unterrichten sucht, wird sie hier kaum finden. Aber er bekommt Denkanstöße und wird eventuell auf bisher unbeachtete Fragestellungen aufmerksam.

 

Dr. Franz Graf-Stuhlhofer, BSc., Prof. für freikirchliche Theologie an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems