Systematische Theologie

Georg Gasser / Ludwig Jaskolla / Thomas Schärtl (Hg.): Handbuch für Analytische Theologie

Georg Gasser / Ludwig Jaskolla / Thomas Schärtl (Hg.): Handbuch für Analytische Theologie, Studien zur systematischen Theologie, Ethik und Philosophie 11, Münster: Aschendorff Verlag, 2017, geb., IX+964 S., € 75,–, ISBN 978-3-402-13279-1


Die analytische Philosophie ist heute eine inhaltlich nicht mehr festgelegte Richtung der Philosophie, in der man vor allem methodische Vorlieben teilt: Man legt Wert auf klare, präzise Formulierungen, ist um logische Kohärenz bemüht und versucht die vertretenen Thesen argumentativ zu begründen. Innerhalb dieser philosophischen Richtung hat sich im englischen Sprachraum seit den 1980er Jahren eine lebhafte Diskussion über religionsphilosophische Fragestellungen entfaltet, die sich seit einigen Jahren auch mit spezifisch theologischen Themen befasst. Für den Versuch, Fragestellungen der systematischen Theologie mit dem Instrumentarium der analytischen Philosophie zu bearbeiten, hat sich seit einiger Zeit die Bezeichnung „analytische Theologie“ eingebürgert. Es ist zu begrüßen, dass das „Handbuch für analytische Theologie“ es nun unternimmt „den Sachstand analytisch-theologischer Debatten im Überblick zu dokumentieren und gleichzeitig zur Diskussion zu stellen“ (1).

Das Buch wird eröffnet durch drei einleitende Grundlagenartikel zur Entwicklung der analytischen Theologie und zu Vorbehalten ihr gegenüber. Thomas Schärtl (35–72) geht den Gründen für „ein gewisses Fremdeln zwischen analytischen (Religions-) Philosophen/innen auf der einen und (deutschen) Theologen/innen auf der anderen Seite“ (35) nach. Nach seiner Einschätzung macht „eine Fülle von Vorurteilen … das Gespräch zwischen systematischer Theologie und analytischer Philosophie im Moment ausgesprochen kompliziert“ (45). Ein Dialog sei aber „lohnenswert, weil beide Seiten voneinander profitieren können.“ Die analytische Philosophie könne „im Gespräch mit der systematischen Theologie die oft vermisste hermeneutische Sensibilität lernen, … Systematische Theologie kann im Umgang mit analytischer Philosophie die Unersetzbarkeit des Argumentierens, der begrifflichen Klarheit und die Notwendigkeit eines metaphysischen Offenbarungseides neu lernen“ (45), gemeint ist wohl die Offenlegung der zugrundeliegenden metaphysischen Grundannahmen.

Schärtl versucht einige der Vorurteile gegenüber der analytischen Philosophie zu überwinden und Gesprächsmöglichkeiten aufzuzeigen zwischen diesem philosophischen Ansatz und idealistischen, phänomenologischen und transzendentalphilosophischen „Motiven und Denkungsarten“ (66). Er schließt mit einem Appell an die deutsche systematische Theologie, sich stärker als bisher dem Gespräch mit der analytischen Philosophie zu öffnen, da diese „ein kongenialer Gesprächspartner“ sei (69).

Den Hauptteil des Handbuches bilden 14 Artikel zu wichtigen Themen, die in der analytischen Theologie diskutiert werden. Diese Artikel verfolgen das Ziel, in die Debatten einzuführen. Jedem dieser Artikel folgt ein „Response-Aufsatz eines Autors bzw. einer Autorin, der bzw. die in der Regel für sein/ihr theologisches Arbeiten eine andere philosophische Methodik bevorzugt“ (1). Ich halte diesen Aufbau für ein gelungenes Konzept, das dem Leser einen guten Überblick über den Diskussionsstand der „analytic theology“ geben und zugleich auf mögliche Einwände hinweisen kann.

Nicht alle Sachstandsartikel geben allerdings einen solchen Überblick, einige stellen das Thema aus eigener Sicht dar und verweisen nur gelegentlich auf die analytische Debatte. Im Allgemeinen erhält man aber durch die Sachstandsartikel eine gute Einführung. Einen besonders gründlichen und gelungenen Überblick über den Diskussionsstand zur Frage nach der Ewigkeit Gottes bietet Christian Tapp (363–402). Seit Augustinus und Boethius herrschte in der christlichen Philosophie und Theologie das Konzept des Eternalismus vor, das davon ausgeht, dass Gott außerhalb der Zeit steht. Tapp stellt sowohl die Argumente für diese Auffassung dar, als auch die philosophischen Einwände, die vor allem seit den 1970er Jahren vorgetragen wurden. Es wird gut nachvollziehbar, warum die Gegenposition des Sempiternalismus (Gott lebt ohne zeitlichen Anfang oder Ende in der Zeit) inzwischen in der analytischen Theologie die Mehrheitsmeinung darstellt.

Der Artikel von Thomas Schärtl (469–517) zur analytischen Trinitätslehre gibt einen guten Eindruck von der Komplexität und der Nuanciertheit der diesbezüglichen Debatten. Die Trinitäts-Modelle, die entwickelt wurden, ringen darum, zwischen den beiden Ansätzen, die häufig als „soziale Trinität“ oder „ökonomische Trinität“ (in Schärtls Diktion „Latin Trinitarianism“) bezeichnet werden, entweder zu vermitteln oder über sie hinauszukommen. Man hat jedoch den Eindruck, dass all diese Versuche ihrerseits mit Schwierigkeiten behaftet sind und nicht wirklich über die bekannten Modelle hinausführen. (Für die Lektüre des Artikels sind Grundkenntnisse in formaler Logik von Nutzen; dies gilt auch für die beiden Aufsätze über Gottes Allwissenheit und menschliche Freiheit, 313–361).

Weitere Artikel, die hier nicht referiert werden können, behandeln die Themen „Glaube und Vernunft“, „Gottesbeweise“, „Glaubensbegründung“, „Substanzialität Gottes“, „Theodizee“, „Inkarnation“, „Auferstehung der Toten“, „Erlösung“, „Vielfalt der Religionen“, „Gottesfrage und Ethik“ und „Spiritualität“. Die meisten Aufsätze geben einen guten Einblick in die Thematik und die analytisch-theologische Diskussion. Manche Response-Artikel zeigen, dass die jeweiligen Autoren von philosophischen Voraussetzungen ausgehen, die so verschieden sind von den Positionen, auf die sie antworten, dass ein echtes Gespräch kaum gelingt. Hier müsste eine Diskussion über die zugrundeliegenden Basis-Überzeugungen stattfinden, was aber im Rahmen eines Aufsatzes nur schwer zu leisten ist.

Den Abschluss des Handbuchs bilden drei Aufsätze, die als „weiterführende Perspektiven“ bezeichnet werden. Lorenz Puntel (859–888) plädiert für ein panentheistisches Gottesbild, Tobias Müller (889–915) versteht Whiteheads „Prozessphilosophie als eine konkrete Gestalt der analytischen Philosophie“ (907), die aber methodisch über den „mainstream“ dieser Richtung hinausführe, indem er stärker auf die lebensweltliche Herkunft ontologischer Aussagen reflektiere. Godehard Brüntrup und Ludwig Jaskolla (917–946) sehen den Panpsychismus als einen Ansatz an, der in der Philosophie des Geistes dem Physikalismus und dem Substanzdualismus überlegen sei und der das Handeln Gottes in der Welt besser beschreiben könne als das Konzept der speziellen göttlichen Intervention (special divine action). Ob man hier wirklich „weiterführende Perspektiven“ sieht, hängt natürlich davon ab, ob man die vorgetragene Kritik am „mainstream“ der analytischen Theologie und die angebotenen Alternativen für überzeugend hält. Brüntrup/Jaskolla konstruieren unter Berufung auf Bultmann ein Argument, das gegen die Möglichkeit direkter göttlicher Eingriffe in die Welt ins Feld geführt wird. In der zweiten Prämisse („Die Naturwissenschaften verpflichten uns auf Kausalerklärungen als ununterbrochene und vollständige Naturursachen“, 932) ist die Schlussfolgerung bereits impliziert, die Prämisse selbst ist aber unbegründet. Die Naturwissenschaften beschäftigen sich definitionsgemäß nur mit natürlichen Ereignissen, die prinzipiell auf physikalische Prozesse zurückgeführt werden können. Es gehört aber nicht zu ihrem Kompetenzbereich, eine Aussage zu machen: „Es gibt ausschließlich natürliche Ereignisse (d. h. die Menge aller Ereignisse und die Menge der natürlichen Ereignisse ist identisch).“ Dies wäre eine ontologische, keine naturwissenschaftliche Aussage und für die Wahrheit dieser Aussage wurden keine schlüssigen Gründe vorgelegt (am wenigsten von Bultmann). Ähnlich defizient ist das gegen den Substanzdualismus vorgetragene Argument. Ich halte die geäußerte Kritik am „mainstream“ der analytischen Theologie daher nicht für überzeugend.

Das Erscheinen des Handbuchs zeigt an, dass in der deutschsprachigen katholischen Theologie (fast alle Autoren und Autorinnen arbeiten an katholischen theologischen oder philosophischen Fakultäten) eine intensivere Auseinandersetzung mit der „analytic theology“ in Gang gekommen ist, deren angelsächsischen Autoren mehrheitlich (aber keineswegs ausschließlich) einen protestantischen Hintergrund haben.

Das vorliegende Handbuch kann jedem empfohlen werden, der eine Einführung in die analytische Theologie sucht. Dass aufgrund editorischer Schwierigkeiten Literatur, die nach 2013/14 erschienen ist, nicht mehr berücksichtigt werden konnte, schmälert den Wert des Handbuches nur unerheblich. Wer intensiver in die einzelnen Themen einsteigen will, kann sich an den aktuellen Beiträgen etwa des „Journal of Analytic Theology“ orientieren, die erfreulicherweise online zugänglich sind.


Dr. Ralf-Thomas Klein ist Lehrbeauftragter an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen.