Stephen Mansfield: Choosing Donald Trump
Stephen Mansfield: Choosing Donald Trump. God, Anger, Hope, and Why Christian Conservatives Supported Him, Grand Rapids: Baker, 2017, geb., X+195 S., US $ 15,99, ISBN 978-0-8010-0733-0
Der bekannte amerikanische Bestsellerautor Stephen Mansfield widmet sich in dem vorliegenden Werk der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass ein so unorthodoxer und anstößiger Kandidat wie Donald Trump gerade von konservativen Christen ins Präsidentenamt gehievt wurde.
Zunächst schien Trump nicht der geeignete Kandidat für eine christlich-konservative Wählerschaft zu sein. Als er über seinen Glauben befragt wurde, antwortete Trump: „Ich bin Protestant, ich bin Presbyterianer. Ich bin zwar sehr beschäftigt, wahrscheinlich mehr als ich sollte. Aber ich bin ein Christ. Ich bin Protestant. Ich bin Presbyterianer“ (29, Übersetzung EF, auch im Folgenden). Die Frage nach seinem Lieblingsvers oder einem Vorbild in der Bibel konnte er nicht beantworten. In einem Interview bekannte er, dass er Gott noch nie um Vergebung gebeten hätte, dies aber tun würde, sollte er einen Fehler begehen. Er versuche Gott „da rauszulassen“ (30).
Trump warf aber auch bezüglich seines Charakters viele Fragen auf. Er schien die ständige Selbstbestätigung zu brauchen, und brüstete sich mit seinen sexuellen Abenteuern. Die Washington Post führte Listen seiner hyperbolischen Aussagen, die mit Fakten unvereinbar waren. In den ersten Monaten verging kein Tag ohne eine Falschaussage des Präsidenten. Er ermunterte zu Gewalt, etwa durch Androhung gegen einen Demonstranten: „Ich prügel Dich weich“ (32).
Im Jahr 2015 organisierte die landesweit bekannte Fernsehpredigerin Paula White ein Treffen zwischen Trump und einflussreichen christlichen Leitern. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigten bekannte Televangelisten, die um Trump standen, ihm die Hände auflegten und für ihn beteten. Bei diesen Treffen lernte Trump die Anliegen dieser religiösen Gruppen kennen.
Trump versprach das Johnson Amendment aus dem Jahr 1954 abzuschaffen, das die Unterstützung politischer Ziele und Kandidaten durch den Klerus verhinderte. Dabei handelt es sich um eine Ergänzung des Präsidenten Lyndon Johnson zum Bundessteuergesetz, das spendenfinanzierten und steuerbefreiten Verbänden die politische Parteinahme und Einmischung in die Gesetzgebung verweigerte. Trump erschloss somit eine neue Wählergruppe, die sich explizit für ihn aussprechen konnte.
Paula White beteuerte seine Aufrichtigkeit mit den Worten „Er hat wirklich ein Herz und einen Hunger und eine Beziehung zu Gott.“ „Er ist ein Christ, und er ist wiedergeboren“ (97), in den USA ein entscheidendes Stichwort.
So gewann Trump die Unterstützung von Franklin Graham und dem Erzbischof von Boston, sowie die Unterstützung der führenden Fernsehprediger und der Leiter der 50 größten Kirchen der USA. Das wiederum sicherte Trump bei seiner Wahl 81% der Stimmen weißer Evangelikaler.
Die Verbindung zwischen Trump und den Evangelikalen war eine Verbindung aus Not. Vorausgegangen war eine säkulare Entwicklung, die sich besonders unter Präsident Obama verstärkte. Bereits als Senator in Illinois unterstützte er die partial birth abortion (Abtreibung während der Geburt). Katholische Krankenhäuser wurden von Anwälten der Obama-Administration unter Druck gesetzt, Abtreibungen durchzuführen. Unternehmen allgemein mussten dafür Sorge tragen, bei Abtreibungen Kosten zu erstatten.
Obama unterstütze die offen gelebte Homosexualität in den Streitkräften, er feierte die Legalisierung der Homoehen. Wenige Evangelikale werden den Tag vergessen, an dem das Weiße Haus in Regenbogenfarben beleuchtet wurde, dem Symbol der Gay Pride Bewegung. Des Weiteren setzte er sich für die Kostenerstattung von geschlechtsangleichenden Operationen ein. Er unterstützte auch das Verfahren gegen eine Bäckerei, die einem schwulen Pärchen die Hochzeitstorte aus religiösen Gründen verweigerte. Von Ausschreibungen der Administration wurden Unternehmen ausgeschlossen, die angeblich Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminierten.
Christen standen unter dem Eindruck, dass die Regierung unter Obama zu einem Feind des traditionellen Glaubens und traditioneller Werte wurde. Noch schlimmer war nach ihrem Empfinden, dass die Regierung ihre Grenzen überschritt und religiösen Organisation und Kirchen Vorschriften machte, die mit ihren Glaubensüberzeugungen unvereinbar waren.
Bestürzend war für sie, dass die damalige Außenministerin Hillary Clinton proklamierte, dass „Lesbische, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Rechte“ „eine Priorität der Außenpolitik der USA“ (114) seien. In einer Zeit des Terrorismus war diese Priorisierung erschütternd.
Selbst der Vatikan klagte darüber, dass „die US Regierung sich zunehmend feindselig gegenüber christlicher Zivilisation verhielt“ (114).
Da Hillary Clinton Teil der Obama-Administration gewesen war, sahen konservative Wähler in ihr keine Hoffnung auf eine moralische Umkehr.
Die Radikalisierung der liberalen Linken war somit der Hintergrund, der die Wahl Trumps durch Evangelikale möglich machte. Er versprach ihnen, ihre Stimme zu sein. Sie vertrauten dabei nicht auf erfahrenere Präsidentschaftskandidaten sondern auf den scharfzüngigen, schonungslosen, zornigen Außenseiter aus New York. Er verkörperte ihre Außenseiterrolle und ihre Wut darüber, dass die Elite in Washington ihnen ihr Land geraubt hatte.
Warnend führt Mansfield das Beispiel Billy Grahams an, der regelmäßig mit Nixon, Eisenhower und anderen Präsidenten verkehrte. Graham gelangte damals zur Einsicht, dass er wohl in seiner Leichtgläubigkeit die religiöse Ernsthaftigkeit Nixons zu hoch eingeschätzt hatte. Er warnte davor, als religiöser Leiter von Präsidenten für ihre Zwecke eingespannt und manipuliert zu werden.
Aufgrund solcher Gefahren plädiert der Autor für mehr Distanz zwischen Geistlichen und Politikern. Insbesondere warnt er davor, neokonservative Denkansätze mit biblischer Lehre gleichzusetzen. Zu unterschiedlich sind die Ansichten. Er plädiert dafür, die Bibel über neokonservative Ansichten zu erheben und einen dritten Weg, jenseits von liberal und konservativ aufzuzeigen. Beim Thema des Rassismus hält er es für notwendig, dem Präsidenten eine Korrektur nahezulegen, statt seine rassistischen Äußerungen stillschweigend hinzunehmen.
Mansfield schließt sein Werk mit der Betrachtung der alttestamentlichen Geschichte von Ahabs und Joschafats Krieg gegen den König von Aram. Die Befragung ihrer 400 Propheten ergab ein positives Resultat. Nur Micha widersprach, weil er ihnen nicht nach dem Mund redete. Mansfields Fazit daraus ist: Diejenigen, die religiöse Wahrheiten aussprechen, sollten eine prophetische Distanz zu den Mächtigen einhalten, um ihre Botschaft nicht zu verwässern.
Im Wahlkampf 2016 wurde diese Distanz schmerzlich vermisst. Donald Trump wurde von vielen christlichen Leitern als der Mann bezeichnet, den Gott selbst berufen hätte.
In der Summe ist Choosing Donald Trump ein hilfreiches Buch, das den Hintergrund und die Verzweiflung konservativer Evangelikaler beschreibt, die sie zu dieser ungewöhnlichen Wahl gebracht haben. Mansfields Lösung einer prophetischen Distanz wird gut und anschaulich, aber leider zu knapp beschrieben.
Dieses Buch stellt ein notwendiges Korrektiv dar. Tiefergehende Fragen nach Definition und Umsetzung der Idee einer Trennung zwischen Kirche und Staat bleiben jedoch unbehandelt.
Eduard Friesen, Dozent für Dogmatik und Ethik am Bibelseminar Bonn