Historische Theologie

Christel Ahrens / Ebise Ashana (Hg.): In Memory of Them

Christel Ahrens / Ebise Ashana (Hg.): In Memory of Them. Women witnessing to Christ in Ethiopia (1870–2019), Beiträge zur Missionswissenschaft / Interkulturellen Theologie 48, Zürich: Lit-Verlag, 2020, Pb., 336 S., € 34,90, ISBN 978-3-643-91156-8


Missionsfreunden und Äthiopienkennern ist die evangelische Mekane-Yesus-Kirche (Ethiopian Evangelical Church Mekane Yesus, EECMY) ein Begriff. Der Schwedische Forscher Gustav Arén hat die Anfänge der Mekane-Jesus-Kirche beschrieben (Evangelical Pioneers, 1978; Envoys of the Gospel in Ethiopia, 1998)

Die Herausgeberin Christel Ahrens arbeitet seit 1988 in Äthiopien im Gesundheitssektor. Ihre Kollegin Ebise Ashana ist bei der Kommission für Entwicklung und Soziale Dienste der EECMY tätig. Beide haben nun erstmals die 150-jährige Geschichte von ausländischen Missionarinnen und missionierenden Äthiopierinnen in der Mekane-Yesus-Kirche und vor der Zeit ihrer Gründung zusammengestellt. Ihr Werk ist in vier Epochen eingeteilt: Im ersten Teil werden die frühen Pioniere von 1832 bis 1916 vorgestellt (3–90). Der zweite Teil behandelt die frühe Frauengeschichte in der Mekane-Yesus-Kirche (91–138). Im dritten Teil werden unter den Titel „Boten des Evangeliums“ amerikanische, schwedische, deutsche und norwegische Missionsbestrebungen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zusammengefasst (139–264). Der letzte Teil präsentiert schließlich Dienst und Zukunftsvorstellungen von Frauen in der Gegenwart (266–317).

„Women unarguably have a lion’s share in evangelism, language development and literacy, Bible translation, diakonia work and several humanitarian ventures carried out by the EECMY“. Dies erklärt Lalissa Daniel Gemechis, Direktor der Abteilung für Mission und Theologie der Mekane-Yesus-Kirche, in seinem Geleitwort (Preface, vii). Von den „untold stories“ (vii–viii) tausender äthiopischer Frauen, die Jesus Christus in Wort und Tat bezeugt haben, seien mit der vorliegenden Sammlung wenigstens einige ins Licht veröffentlichter Geschichtsschreibung geholt worden.

Das prominente erste Beispiel unter den Frauen indigener Herkunft ist Ganame Fathme Pauline, die zwanzig Jahre von der Ankunft schwedischer Missionare in Afrika nach Deutschland gebracht wurde. 1832 geboren, wurde sie als Waisenkind in die Sklaverei verkauft und 1848 in Kairo Baron von Müller geschenkt und in Württemberg aufgezogen. Fathme kam nach Korntal, wurde 1852 getauft, starb aber schon in jungen Jahren 1855 auf einer Baselreise an Lungentuberkulose und wurde in Riehen begraben. Durch ihr christliches Lebenszeugnis wurde in den folgenden Jahren die von der Pilgermission St. Chrischona ausgehende Oromo-Mission gefördert (4–8).

Die Äthiopienmission der Swedish Evangelical Mission ab 1866 dürfte in Deutschland weniger bekannt sein (9–38). Zielgruppen waren besonders arme Flüchtlinge, vertriebene Reformwillige und befreite Sklaven. Bengt Peter Lundahl und seine Frau Gustava, geborene von Platen, leiteten eine Niederlassung in Imkullu bei der Hafenstadt Massawa (seit 1993 in Eritrea). Sie begannen eine Schularbeit unter Jungen und Mädchen, aus der Onesimus Nasib hervorging. Er wurde als erster Oromo in Europa ausgebildet und war später gemeinsam mit dem sprachkundigen Ostafrikaheimkehrer Johann Ludwig Krapf als Bibelübersetzer tätig. In dieser Arbeit waren auch Rosa Månsson, geborene von Hagen, und die beiden Diakonissen Beata Andersson und Bengta Nilsson engagiert. Die zweite Frau von Bengt P. Lundahl, Emilie Lundahl, geborene Cassel, unterrichtete als Lehrerin und hatte Kontakte zu einer reichen Gönnerin, der Gräfin Anna Elisabeth de Noailles. Diese unterstützte die Missionare dabei, Sklaverei zu bekämpfen und endgültig abzuschaffen (36).

Auch unter den ersten evangelischen Zeugen des Evangeliums in Äthiopien waren Frauen (39–71). Besonders vorgestellt werden im 2. Abschnitt des ersten Teils drei ehemalige Sklavinnen, die 1886 befreit und dann Christinnen wurden: Aster Ganno, Lidia Dimboo und Feben Hirphe. Sie waren schriftstellerisch tätig, als Übersetzerinnen der Bibel und anderer christliche Schriften; sie arbeiteten missionarisch und unterrichteten. Lidia Dimboo heiratete Onesimos, dessen erste Frau Mehret 1888 bei der Geburt eines Kindes gestorben war (61). Aufgrund ihrer konsequenten Bibelorientierung erlebten die Evangelischen auch lokale Diskriminierung (z. B. 58).

Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit Menschenhandel und Sklaverei am Horn von Afrika (72–90). Inhaltlich spannen die Autorinnen einen Bogen vom Sklavenhandel im 19. Jahrhundert bis zur Arbeitsmigration in die arabische Welt im 21. Jahrhundert.

Im zweiten Teil wird die evangelische Kirchengeschichte von Addis Ababa von ihren Anfängen mit dem schwedischen Missionar Karl Cederqvist an bis zur Gründung der Meka-Yesus-Kirche dargestellt. Cederqvist starb, nachdem die spanische Grippe im November 1918 auch in Äthiopien angekommen war (103f). Aus der evangelischen Versammlung, die Cederqvist betreute, entstand 1957 in Addis Ababa die erste Mekane-Yesus-Gemeinde, die bald auch Mitglied des Lutherischen Weltbundes wurde (106). Seit 1959 wird der Begriff „Mekane Yesus“ für die gesamte lutherische Kirche in Äthiopien verwendet. Bekannte Frauen aus kirchlicher Arbeit sind Gumesh Wolde-Mikael, Aster Woldemariam, Abeba Kiflegzy, die sich um die lutherische Hymnologie verdient gemacht hat, die Botschaftergattin Elleni Alemayehu und die Krankenschwester Tihun Tola. Urgue Gambaa war die erste äthiopische Frau, die einen Universitätsabschluss in Wirtschaftswissenschaften gemacht hat (133f).

Die Ausbreitung des Evangeliums durch Missionarinnen in verschiedenen Gegenden Äthiopiens nimmt den größten Teil des Buchs ein. König Haile Selassie I. gab ausländischen Missionsgesellschaften in seinem Land alle Freiheiten zu evangelisieren (141). Der Arzt Thomas A. Lambie stand am Anfang amerikanischer Missionsbemühungen (143). Während der Besetzung durch italienische Faschisten kam es zur Verfolgung von Evangelischen (153). Eine Leidenszeit war in gleicher Weise die kommunistische Herrschaft des „roten Terrors“ (Derg) von 1974 bis 1991. Hermannsburger Missionare engagierten sich von 1927 an in Äthiopien (205). 500 km westlich von der Hauptstadt errichteten sie in Aira eine Missionsstation (205f). Eine bekannte Christin ist Qanaatuu Karorsaa Bamsaa, obwohl der Dienst missionarischer Frauen und der Frauen von Missionaren auch nach dem Zweiten Weltkrieg bisher weitgehend historisch nicht aufgearbeitet ist (227). Die Norwegische Lutherische Mission arbeitete besonders im Süden von Äthiopien (242). Jorunn Hamre und Hirut Beyene werden in der NLM-Arbeit besonders herausgestellt.

In der gegenwärtigen Mekane-Yesus-Kirche gibt es Frauen in Führungspositionen und als Pastorinnen, wenn es auch wenige sind (Teil 4). Auf verschiedenen Gebieten sind Projekte initiiert worden, in denen diskriminierten und hilfsbedürftigen Frauen geholfen wird. Einige äthiopische Frauen haben international Karriere gemacht.

Der Aufsatzband soll auch ins Amharische und in Oromo übersetzt werden. „It is the hope of the editors that the book may trigger further research into the lives of many more women and the beautiful things they did and do in the church and to the benefit of human kind.“ (Introduction, 1). Streckenweise gleicht der Inhalt noch eher einer Sammlung von Quellenauszügen als einer durchgearbeiteten Darstellung der Frauengeschichte in der Mekane-Yesus-Kirche.

Es ist das Verdienst von Christel Ahrens und Ebise Ashana, die Arbeit von einheimischen Frauen ins Licht gestellt zu haben, die selbst Missionsfreunde aus den Berichten der Missionare an die Unterstützer in ihren Herkunftsländern nur unzureichend kennen. Hoffentlich gibt es ausreichende Ressourcen, um die große historische Aufgabe weiter zu verfolgen!


Pfarrer Dr. Jochen Eber, Margarethenkirche Steinen-Höllstein