Neues Testament

Dane Ortlund: Gentle and Lowly

Dane Ortlund: Gentle and Lowly. The Heart of Christ for Sinners and Sufferers, Wheaton: Crossway, 2020, geb., 224 S., € 17,60, ISBN 978-1-4335-6613-4

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Dane Ortlund (*1978, Senior Pastor einer presbyterianischen Kirche in Illinois und Verlagsleiter von Crossway) publizierte eine eindrückliche Monografie zum Herzen von Jesus. Bisher wurden mehr als 1,5 Millionen Exemplare verkauft, auch sind unterdessen ergänzende Materialien zum Buch erschienen wie ein Tagebuch, ein Studienleitfaden und eine DVD mit Videos für Kleingruppen und Hauskreise. Als Grundlage seines Buches verwendet O. die Selbstbeschreibung von Jesus in Mt 11,29, wo er sagt, dass er sanftmütig und von Herzen demütig ist [engl. gentle and lowly at heart]. Ausgehend von diesem Startpunkt zieht O. immer weitere Kreise, indem er anhand des NTs und ATs Gottes Liebe für uns Sünder und Leidende erklärt (s. Untertitel). Auch die Aussagen der Puritaner Thomas Goodwin (1600–1680) und Richard Sibbes (1577–1635) werden oft zitiert. O. begründet seine Auslegungen anhand der altgriechischen und hebräischen Bedeutung der Begriffe. Das Buch gliedert sich in 23 kurze Kap. Fußnoten weisen jeweils auf die genauen Quellenangaben hin. Das Herz sieht er als Motivationshauptquartier und Zentrum einer Person (18). Jesus ist diejenige Person des ganzen Universums, die uns am besten versteht (19). Wir müssen unsere Lasten nicht erst ablegen, um zu Jesus zu kommen (20). Jesus ist der Freund der Sünder, der diejenigen berührt, umarmt und denen vergibt, die es am wenigsten verdienen und dennoch am meisten Sehnsucht danach haben (27). Zwischen Jesu Liebe und seinem Zorn auf das Böse in und um uns sieht O. keinen Widerspruch, sondern sie gehören zusammen (29). Den Hauptunterschied zwischen dem AT und NT erkennt O. darin, dass zur Zeit des AT eine Person, die etwas Unreines berührt hat, selber unrein wurde. Wenn Jesus einen unreinen Sünder berührt hat, wurde Jesus nicht unrein, sondern der Sünder wurde rein (30–31). Die irdische Mission von Jesus bestand darin, Sündern unverdientermaßen ihre Menschlichkeit wiederzugeben (31). Jesus ist in Fleisch gehüllte Liebe (32). Jesus freut sich, wenn wir zu ihm kommen und ihn um Vergebung unserer Schuld bitten (37). Er leidet mit uns mit (46). Seine Sündlosigkeit ist unsere Erlösung (49). Mit Bezug zu Joh 6,37 (Jahreslosung 2022) schreibt O. sogar: Unsere Sünden und Schwachheiten sind sogar die Qualifikationen, um uns Jesus zu nähern (64). Jesus verbündet sich mit uns gegen unsere Sünden, er stellt sich nicht gegen uns wegen unserer Sünde. Er hasst Sünde, aber er liebt uns (71). Die Sünden derer, die zu Gott gehören, öffnen die Schleusentore seines Herzens voller Mitgefühl für uns. Der Damm bricht. Nicht unsere Liebenswürdigkeit gewinnt seine Liebe, sondern unsere Liebensunwürdigkeit (75). Rechtfertigung leistete Jesus in der Vergangenheit, seine Fürbitte für uns leistet er in der Gegenwart (78). Aus Gottes liebevoller Zuwendung können wir uns nicht raussündigen (83). Tiefe Männerfreundschaften sind in der westlichen Kultur am Verschwinden. Dies hat negative Auswirkungen auf die Sicht, wie wir Jesus als unseren Freund wahrnehmen, der uns nie im Stich lässt (113–114). Der Heilige Geist bewirkt in uns, dass wir das Herz von Jesus für uns fühlen (122). Er verwandelt Kummer in Freude (123). Gott liebt uns mehr, als wir uns je selbst lieben können (133). O. sieht die Bibel als Gottes langanhaltendes Bestreben, unsere natürliche Sicht von Gott zu dekonstruieren und zu seinem wahren Charakter vorzudringen, wie er sich selber beschreibt (149; 155). Anhand von Thr 3,33 differenziert O. zwischen Gottes natürlichem Wirken seiner Liebe und dem außergewöhnlichem Wirken seines Zornes (144). Im Himmel werden wir das Herz von Jesus vollständig genießen (208). Wir werden einmal schockiert vor Gottes Herz stehen, weil es so liebevoll ist (180). Der größte Sieg des Teufels besteht darin, wenn er es schafft, unsere Sicht auf Gottes liebevolles Herz zu verdunkeln (151). Die Herausforderung des christlichen Lebens besteht darin, das eigene Herz in Übereinstimmung mit dem Herz von Jesus zu bringen und täglich unsere neue Identität in ihm zu ergreifen (181, 187). Das Evangelium ist die Einladung, dass das Herz von Jesus uns beruhigt und erfreut. Perverserweise widerstehen wir Jesus, uns zu lieben (187). Wir lieben bis zu einem gewissen Limit, doch Jesus liebte uns bis ans Ende (198). Nichts kann dich nun aus deiner Stellung als Kind Gottes heben, nicht einmal du selbst (195). Ein Stichwortindex und ein Bibelstellenverzeichnis runden das Buch ab. Zur konstruktiven Kritik: Das Buch hat mich mehrmals zu Tränen gerührt, so eindrücklich beschreibt O. die Liebe von Jesus zu allen Menschen. Es ist gut lektoriert und mir sind keine Druckfehler aufgefallen. Manchmal verwendet O. gehobene englische Begriffe, die ich zuerst nachschlagen musste. Stark finde ich, dass O. am Dualismus von Himmel und Hölle festhält: Es ist wahrscheinlich unmöglich, sich den Horror der Hölle, die Grausamkeit der vergeltenden Gerechtigkeit und den gerechten Zorn [Gottes] vorzustellen, die sich am Jüngsten Tag über alle ausgießen wird, die außerhalb von Jesus sind (67). Jesus ist der gefürchtete Richter für alle, die ihm nicht gehören (204). Das Geheimnis der Prädestination lässt er jedoch aus. Ich stellte mir die Frage, wie sich seine Sicht der Liebe Gottes mit der Gemeindezucht (Mt 18,15–17) verhält, wenn jemand in seiner Sünde bewusst verharren will. Außerdem hat er Jes 59,2 weder implizit noch explizit erwähnt, wo es heißt, dass unsere Sünde uns von Gott trennt. Mit Bezug auf Mt 7,22–23; 12,31, Hebr 10,25–39 und 1Joh 5,17 stellt sich mir die Frage, ob wir uns wirklich nicht aus Gottes Zuwendung wegsündigen können (vgl. 83, 195). Die Vorteile des Buches überwiegen jedoch bei Weitem: O. gelingt eine flammende Charakterisierung der Liebe Gottes, die ich allen Christen, die der englischen Sprache mächtig sind, wärmstens empfehle: Wenn du Jesus kennen würdest, würdest du zu ihm kommen (216).


Pfr. Michael Freiburghaus, Leutwil-Dürrenäsch (Schweiz)