Systematische Theologie

Raymond R. Hausoul: The New Heaven and New Earth

Raymond R. Hausoul: The New Heaven and New Earth. An Interdisciplinary Comparison between Jürgen Moltmann, Karl Rahner, and Gregory Beale, Eugene: Wipf & Stock, 2020, Pb., 351 S., US $ 43,–, ISBN 978-1-7252-6283-6

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Drei Annäherungen an das hier vorzustellende Buch und seinen Autor seien gemacht. Vor seinem Theologiestudium war Hausoul (= H.) Ingenieur (s. https://raymondhausoul.be/cv.php). Er übersetzte und überarbeitete seine Leuvener Dissertation von 2017 ins Englische. Gleich vorneweg: Es wäre schön und der Sache dienlich, wenn seine Dissertation – bearbeitet und gekürzt – auch auf Deutsch erschiene. Derzeit arbeitet er in der evangelischen Kirche in Flandern und ist der Fakultät in Leuven als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als Lektor für Systematische Theologie verbunden. Erste Bekanntschaft konnte man mit ihm in Deutschland als Autor des Edition C-Kommentars zu Maleachi (2011) machen.

Beginnt man, sich mit der Eschatologie zu beschäftigen, so stößt man – angefangen beim 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses – auf ein ganzes Bündel von Fragen, Begriffen und Problemen. H. pickt sich das Begriffspaar des neuen Himmels und der neuen Erde heraus, die in der Systematischen Theologie wie eine Stiefmutter bzw. ein Stiefkind behandelt würden (IX, 10). Auf der ersten Seite (genauso 18) formuliert er seinen Buchtitel in einem Fragesatz: „How can comparison between Karl Rahnerʼs and Jürgen Moltmannʼs systematic theological designs and Gregory Bealeʼs biblical-theological design be of significance in a theological dialogue concerning the new heaven and the new earth?“ Auf den Seiten 11–16 begründet H. die Konzentration auf diese drei Theologen.

Am interessantesten ist das Schicksal der Eschatologie in der jüngsten Theologiegeschichte. Im Jahre 1900 konstatierte Ernst Troeltsch in seiner Glaubenslehre nüchtern: „Das eschatologische Bureau sei heutzutage zumeist geschlossen.“ Insgesamt wurde das 20. Jh. jedoch dann von der „eschatologischen Bedingtheit des christlichen Glaubens fast überschwemmt“ (Carl Heinz Ratschow: „Eschatologie VIII“, in: TRE 10, 334), so dass Hans Urs von Balthasar, „Eschatologie“, in: Johannes Feiner / Josef Trütsch / Franz Böckle (Hg.): Fragen der Theologie heute, Einsiedeln: Benziger, 1957, 403 konträr zu Troeltsch bemerkte, dass es jetzt im Gegenteil Überstunden mache (vgl. Hausoul, 9).

Einer, der substantiell zu den Überstunden beitrug, war Moltmann. Schon in der Einleitung seiner 1964 veröffentlichten, epochemachenden Theologie der Hoffnung heißt es ganz grundsätzlich: „Das Christentum ist ganz und gar und nicht nur im Anhang Eschatologie, ist Hoffnung, Aussicht und Ausrichtung nach vorne…“ (12). Dieser in Anklang an Barth formulierte Kernsatz wird 1995 in Das Kommen Gottes wiederholt. Das vierte der fünf Kapitel von Das Kommen Gottes trägt die Überschrift, die H. zum Haupttitel seiner Dissertation macht: „Neuer Himmel – Neue Erde“ – allerdings ohne Moltmanns Spezifizierung „Kosmische Eschatologie“.

Nach dem einleitenden ersten Kap. zeigt H. im zweiten, dass für alle drei von ihm untersuchten Theologen trotz ihrer Unterschiede die Bibel „a primary source of reflection on the Christian faith“ (49; vgl. 37, 47) ist – und sie den interdisziplinären Dialog befürworten (vgl. 185–187). Interessant ist Rahners christologisch-anthropologische Konzentration und philosophisch-hermeneutische Argumentation, besonders aber, dass er „remains sceptical about using biblical images“ (94). Nicht unwichtig ist m. E., dass Rahners sehr umfangreiches Schrifttum (H.s Literaturverzeichnis umfasst fast 5 S. Rahnertitel!) zwar zwei Eschatologie-Lexikonartikel aufweist, jedoch keine einzige Monografie zu dem Thema.

Während Rahner und vor allem Moltmann den meisten Lesern und Leserinnen bekannt sein dürften, trifft dies auf den amerikanischen Bibelwissenschaftler des Reformierten Theologischen Seminars in Dallas, Texas wohl nicht zu. Neben den beiden systematischen Theologen, vertritt er die exegetische Seite. Anhand seiner New Testament Biblical Theology (2011) und einiger einschlägiger Vorarbeiten analysiert H. „Bealeʼs perspective on the new heaven and new earth“ (136). Drei der neun Ergebnisse zu Beale betonen die Zusammengehörigkeit von Protologie und Eschatologie (vgl. 183f). Diesen Zusammenhang drückt H. sehr schön im allerletzten Satz seiner Arbeit aus: „God has not a hopeless end but an endless hope in store for creation“ (306). In diesem Sinne kann kritisch gefragt werden, ob Beale die Kategorie des Neuen und die breite eschatologische Traditionsgeschichte genügend in den Blick nimmt.

Da man wohl kaum alle Quellen zur Verfügung hat, ist man als Leser bzw. Leserin sehr dankbar dafür, dass H. nicht nur sehr viele Belegstellen nennt (insgesamt hat seine Arbeit 1146 Anm.), sondern dass er – Moltmann und Rahner betreffend, leider nicht bei Beale – oft Zitate im Wortlaut zugänglich macht. Darüber hinaus weist H.s Arbeit den Vorzug angloamerikanischer Darstellungen auf: „Abstract and Summary“ (XV–XX) fassen gekonnt zusammen.

Als Ergebnis seiner Untersuchung der drei hält H. u. a. fest: Erstens steht bei allen drei „eschatology at the heart of their theology“ (305) und alle drei „take a future for the earth into account in their eschatology“ (299). Zweitens wächst allenthalben die Dialogbereitschaft und der tatsächliche Dialog (vgl. 296). Wie für alle Dialoge gilt drittens: „ neither discipline can claim to be completely objective“ und die Dialogpartner „coexist as equal entities“ (292f); alle „are integral parts of the same whole“ (296). Über allem steht der folgende Basissatz: „the new heaven and new earth is a change, glorification and completion of the first heaven and earth created by God“ (305).

Noch notiert sei, dass H. einige Male (z. B. 283) das nicht im Duden vorkommende „Einsage“ verwendet, auf S. 9 ein Satz doppelt steht und auf S. 136 „§§ 5.3–1.8“ (statt 5.3–8) wohl ein Hinweisfehler ist. Mein Exemplar ist außerdem schlecht gebunden; während der Lektüre zerfledderte es leider zusehends.

Wichtiger als diese Äußerlichkeiten ist, dass H. sehr dafür zu danken ist, dass er nach Schwöbels Bilanz des 20. Jh. (in: Gott in Beziehung, 437–468) mit Schwarzʼ „Die christliche Hoffnung“ (2002), Mühlings „Grundinformation Eschatologie“ (2007), Wenzʼ „Vollendung“ (2015) und einigen Monografien (z. B. Erlemann, 2014) die Fackel der Eschatologie vom 20. ins 21. Jh. weiter trägt und dass er in Gestalt der drei untersuchten Theologen exegetische und systematische Theologie miteinander ins Gespräch bringt. Nurmehr anmerkungsartig: Zu fragen ist, ob Moltmanns, Rahners und Beales Zustimmung und Ablehnung ihrer je eigenen Tradition nicht schärfer herauszuarbeiten wären.

Über H.s Arbeit hinaus führen religionsgeschichtliche Fragestellungen und Dialoge mit naturwissenschaftlichem und philosophischem Nachdenken (Rahner z. B. hätte einiges zum Themenbereich „Zeit und Ewigkeit“ beizutragen), also das Stichwort interdisziplinäre Zugänge (so der Untertitel von Kladen, 2014). Ganz am Ende ein praktisch-theologischer Impuls: Wie wichtig die Fackel der christlichen Hoffnung ist, zeigt sich nicht nur an jedem Grab, sondern auch und vor allem angesichts der vielen apokalyptischen Szenarien und der alltäglichen Transzendenzlosigkeit, wie sie etwa in der Äußerung Christoph Schlingensiefs zum Ausdruck kommt: „So schön wie auf Erden kann es im Himmel gar nicht sein.“


Dr. Gerhard Maier, Pfarrer i. R., Neuffen