Systematische Theologie

Joel White: Was sich Gott dabei gedacht hat

Joel White: Was sich Gott dabei gedacht hat. Die biblische Basis einer christlichen Sexualethik, Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2021, geb., 224 S., € 17,99, ISBN 978-3-417-24168-6

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Joel White lehrt seit zwanzig Jahren als Neutestamentler an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen. White hat in den letzten Jahrzehnten beobachtet, wie die gesellschaftlichen Veränderungen in der Frage des Umgangs der Geschlechter miteinander an den Gemeinden nicht spurlos vorbeigegangen sind. In dieser Situation der Verunsicherung freikirchlicher und pietistischer Kreise will White Orientierung geben, „weil mir die Ortsgemeinden am Herzen liegen“ (9). Er geht von acht grundlegenden Bibelstellen aus, die er sorgfältig auslegt und in den Kontext der gegenwärtigen Diskussion stellt. Die im ersten Teil („Der biblische Anspruch“, 17–134) besprochenen fünf Bibelverse wollen der biblischen Sinngebung der Sexualität nachgehen: „Ich bin überzeugt, dass das biblische Narrativ weitaus besser ist als das, das seit der Sexuellen Revolution in der westlichen Gesellschaft erzählt wird“ (11). Der zweite Teil („Die moderne Herausforderung“, 135–208) widmet sich anhand von drei biblischen Schlüsseltexten den wichtigen Themen Singledasein, Scheidung und Wiederheirat sowie Homosexualität.

Die biblischen Grundlagen entfaltet White, wie schon erwähnt, am Leitfaden von fünf zentralen Bibelversen. Unter dem Zitat aus 1Kor. 6,20 „Ehrt Gott mit eurem Leib“ (Kap. I, 21–45) fasst White Grundlegendes zur christlichen Sexualethik zusammen. Für ihn ist sie notwendig, weil der gängige Konsens in konservativen christlichen Gemeinden nicht mehr vorausgesetzt werden kann und weil der Autor Christen Orientierung geben will; sie sollen sich auf diese Weise positionieren können (22–24). Allgemein verständlich erläutert der Vf. im Folgenden, wie er mit den biblischen Aussagen hermeneutisch umgeht, ohne in Subjektivität zu verfallen (24–40). Der knappe Durchgang durch kirchengeschichtliche Aspekte zum Thema (40–45) hebt – wie man es aus Publikationen anderer Autoren kennt – überwiegend negative Fakten der christlichen Haltung zur Sexualität hervor. Dazu müsste man bedenken, dass es in vergangenen Zeiten keine Statistiken, sondern nur Beschreibungen von Einzelphänomenen gab. Weiter wird oft nicht gesehen, dass gesellschaftliche Missstände in der abendländischen Geschichtsschreibung dem Anschein nach gerne dem Christentum angelastet und nicht anderen Wirkursachen zugeschrieben werden.

Im zweiten Kapitel (Gen 4,1 „Adam erkannte seine Frau“, 46–67) entfaltet White das biblische Verständnis von der menschlichen Sexualität als guter Gabe Gottes, indem er Bibelstellen aus Gen 1 und 2, aus dem Hohelied und 1Kor 7 auslegt. An Gen 1,27 und 1Kor 11,7 stellt White den Zusammenhang zwischen Gottebenbildlichkeit und Geschlechtlichkeit des Menschen heraus (52).

Sexuelle Enthaltsamkeit vor und außerhalb der Ehe ist das Thema des umfangreichsten Kapitels (III, Hebr 13,4 „Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden“, 68–103). White geht von der Ehe als biblischem Rahmen sexueller Beziehungen zwischen Mann und Frau aus (68–70). Außereheliche geschlechtliche Beziehungen werden in der Bibel als „Unzucht“ verurteilt (71). In diesem Kontext kritisiert er die Einstellung des Religionspädagogen Siegfried Zimmer (73). Die Sexuelle Revolution stellt sich in mancherlei Hinsicht als neue Sklaverei und als „Realisierung der schlimmsten Männerfantasien“ dar (76). Auch Kinder gehören zu den Verlierern (78f). Wiederum anhand des Hoheliedes stellt der Vf. das „Narrativ der Liebe“ in Verbindung mit der Hochzeit dar (80–86). Angesichts der heute vorherrschenden „seriellen Monogamie“ betont White, dass die Ehe „Schutzzone zur Entfaltung des Menschen“ ist (86–89) und sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe für die Ehe zuträglich ist (89–103).

Sein viertes Kapitel widmet White dem „Mysterium“ der Ehe nach Epheser 5 (Eph 5,32 „Das ist ein großes Geheimnis“, 104–120). In der Vereinigung von Mann und Frau steht die christliche Ehe symbolisch für die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde (116).

Weiter behandelt der Vf. das oft vernachlässigte Thema der Heiligung in christlichen Gemeinden (1Thess 4,3 „Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung“, Kap. V, 121–134). Er plädiert dafür, „die klare und unverfälschte biblische Lehre mit Barmherzigkeit und Geduld im Umgang mit menschlicher Schwäche und Sünde“ zu verbinden (134).

Im sechsten Kapitel widmet sich White unter dem Bibelzitat aus 1Kor 7,38 „Wer nicht heiratet, der handelt besser“ der ersten „modernen Herausforderung“ des Singleseins (138–160). Nur wenige Menschen blieben in biblischer Zeit unverheiratet. Unverheiratet zu sein war für Jesus eine hohe Berufung (142). In diesem Abschnitt seines Buches bespricht der Autor auch das selten offen behandelte Thema des Sexuallebens der Singles (155–160).

Scheidung und Wiederheirat war schon zur Zeit von Jesus ein brennendes Thema (Mt 19,6 „Was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht scheiden“, Kap. VII, 161–180). White geht von Gen 3, Ex 21 und Dtn 24 aus, bespricht die Scheidungsmetaphorik in den Propheten und vergleicht dann Mt 19,3–9 und 1Kor 7,10–16 mit dem Lehrgespräch jüdischer Gelehrter über das Thema und gibt praktische Vorschläge für den Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten in der Gemeinde (175–180).

Die Sicht der Bibel ist bei der Frage gelebter Homosexualität heute sicher das umstrittenste von allen behandelten Themen des Buchs (Lev 18,22 „Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau“, Kap. VIII, 181–208). Hier geht der Autor wiederum von der Differenzierung der Menschheit in zwei biologische Geschlechter in Gen 1,27 aus. Er bespricht die relevanten Texte aus Gen 19, Ex 19,5, Lev 17–23, Röm 1,26f und die Lasterkataloge in 1Kor 6,9f und 1Tim 1,9f im Vergleich mit der heidnischen Umwelt und geht auf unzutreffende Argumente ein, z. B. Paulus habe nur ausbeuterische Beziehungen oder nur römische Kaiser im Blick gehabt (198f, 201f). White sieht in der Praxis Wege für Homosexuelle im zölibatären Leben oder auch in der Hetero-Ehe, insofern sie das wollen (203–205). Die gut verständliche Monografie von White zeigt auf überzeugende Weise, wie biblische Weisungen auch in der heutigen Zeit noch relevant sind. Sie ermutigt Christen, die Bibel heute ernst zu nehmen und sie nicht auf dem Altar des Zeitgeistes zu opfern. White schreibt streckenweise angenehm humorvoll und ist generell sehr verständnisvoll im Umgang mit den Schwierigkeiten, die es heutzutage in freikirchlichen und pietistischen Gemeinden und Gruppierungen gibt. Er hat sich auf das „aus meiner Sicht Wesentliche“ (209) konzentriert und will so zu weiterführenden seelsorgerlichen Gesprächen ermutigen. Das Werk wird von einem guten, evangeliumsgemäßen Geist geprägt. Es bereichert die aktuelle Diskussion, indem es andere Seiten der Problematik beleuchtet als beispielsweise die Veröffentlichungen von Veronika Schmidt, die ein feministischer Imperativ durchzieht. Deshalb kann der Rezensent dem Buch von White nur eine weite Verbreitung wünschen.


Pfarrer Dr. Jochen Eber, Margarethenkirche Steinen-Höllstein