Werner Schmückle: Elias Schrenks Evangelisationspredigt und Evangelisationspraxis
Werner Schmückle: Elias Schrenks Evangelisationspredigt und Evangelisationspraxis. Studien zu ihrem historischen Kontext und ihrer Bedeutung für die Gegenwart, Schriften der Evangelischen Hochschule TABOR (SEHT) 9, Berlin: Lit 2019, br., 408 S., € 39,90, ISBN 978-3-643-14249-8
Der württembergische Kirchenrat Werner Schmückle – inzwischen im Ruhestand – hat neben seiner umfangreichen Arbeit in der Landeskirche immer wieder an seiner Schrenk-Dissertation gearbeitet. 2017 hat er sie im Fachbereich Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald eingereicht, 2019 ist sie in der Reihe Schriften der Evangelischen Hochschule Tabor im Lit-Verlag erschienen. Schmückles Untersuchung ist hauptsächlich praktisch-theologisch ausgerichtet. Dennoch haben die ersten 150 Seiten einen kirchengeschichtlichen Schwerpunkt. Dieses Vorgehen ist sachlich begründet; es lässt sich bei einer Untersuchung der evangelistischen Praxis eines Predigers schwerlich vermeiden.
Schmückles Überlegungen gehen in seiner Einführung (13–16) von dem berühmten Vortrag Eberhard Jüngels zur Mission der Kirche auf der Leipziger Synode der EKD 1999 aus (13). Wie kein anderer steht der Name von Elias Schrenk für die Anfänge der Evangelisation in den deutschen Landeskirchen. Deshalb ist es Ziel der wissenschaftlichen Arbeit Schmückles, Schrenks Lebenswerk in seinem historischen und theologischen Kontext darzustellen, kritisch zu würdigen und mit gegenwärtigen Ansätzen ins Gespräch zu bringen (14).
Im ersten Kapitel referiert der Vf. die Entwicklung des Evangelisationsverständnisses. Außerdem stellt er die Forschungsgeschichte und die verwendeten Quellen dar (1. Kap. Die Evangelisation und die Person Elias Schrenks in der bisherigen Forschung, 17–42). Klassische Evangelisationen führen heute nicht mehr zu dem Ziel, da sich Menschen eher auf einem längeren Lebensweg Christus zuwenden (29). – Unter den Publikationen zu Schrenks Leben und Theologie spielt Hermann Klemms Biografie noch immer eine große Rolle (34). Unter verwendetem „handschriftlichem Material“ wird nur Korrespondenz mit Theodor Christlieb angegeben. Die besondere Funktion gerade dieser handschriftlichen Dokumente ist im vorliegenden Zusammenhang vielleicht im Thema Evangelisation begründet; immerhin ist im Marbacher Literaturarchiv ein Brief vom 20.2.1896 an Hermann Hesse nachgewiesen. Im Archiv der Basler Mission finden sich neben Schrenk-Briefen, die Hermann Klemm zitiert, auch in den Komitee-Protokollen bemerkenswerte Notizen zu Schrenks persönlicher Entwicklung: Man war anfangs geneigt, ihn wegen mangelnder Befähigung von der Ausbildung wieder auszuschließen, hat ihn dann aber wegen seiner guten Fortschritte weiterstudieren lassen.
Für Schmückle ist die Evangelisationsbewegung eine Antwort auf die religiösen Notstände der Zeit (2. Kap. Zum Verständnis der aufbrechenden Evangelisationsbewegung in Deutschland im 19. Jh. und ihrer Vorgeschichte, 43–75, bes. 46f).
Im Werdegang des Missionsschülers Schrenk spielen der Missionslehrer Wolfgang Friedrich Geß und Missionsdirektor („Inspektor“) Joseph Josenhans eine wichtige Rolle (84–94, in: 3. Kap. Der Weg des Evangelisten: Die persönliche und theologische Entwicklung Elias Schrenks, 77–159). Die für Glaubensheilungen bekannte Dorothea Trudel in Männedorf kann dem kranken Schrenk helfen (96–99). Die Missionsarbeit während der elf Jahre in Afrika wie auch ein Aufenthalt in der Heimat lassen in ihm den Wunsch reifen, unter getauften Christen zu missionieren. Zur theologischen Fortbildung vertieft er sich in die Theologie Luthers und liest Schriften von Johann Tobias Beck.
Begegnungen mit Spurgeon und Moody sind für Schrenk wichtig; in der Theologie der Heiligungsbewegung sieht er kritisch eine Schwäche bei der Erkenntnis der Sünde (131). Als Prediger der Evangelischen Gesellschaft Bern beginnt Schrenk seine evangelistische Tätigkeit (131), die sich von 1986 an in Deutschland entfaltet (142f). Neben der Heiligungsbewegung beschäftigt er sich kritisch auch mit der entstehenden Pfingstbewegung und ihrer Theologie (150–159).
Evangelisation ist die Antwort auf die geistliche Not der Zeit (4. Kap. Begründung, Wesen und Wirkung der Evangelisation bei Elias Schrenk, 161–183). Ein bisher nicht existierendes Evangelistenamt muss nach dem Vorbild des Neuen Testaments neu geschaffen werden. Entweder wird es mehr in Reisedienst oder in kontinuierlicher Arbeit vor Ort als Gehilfendienst für das Hirtenamt bestehen (167f). Evangelistische Ziele sind die Stärkung der Gläubigen, Rettung von Sündern und „Erhaltung des lautern Evangeliums“ in der evangelischen Kirche (172).
Bei einer Evangelisation und ihrer Vorbereitung sollen Gläubige, Kirchenälteste und Pastoren zusammenarbeiten (5. Kap. Die Praxis der Evangelisation bei Elias Schrenk und in der Gegenwart, 185–213). Männerabende wurden besonders gerne besucht (191). Nachversammlungen (192f), Bibelstunden (205f) aber besonders Sprechstunden für Einzelseelsorge sind Schrenk wichtig (193f, Privatbeichte). Handauflegung und Gebet mit Kranken sind Bestandteil des seelsorgerlichen Dienstes (198–205). In der gegenwärtigen Evangelisationspraxis finden sich noch Elemente von Schrenks Arbeitsweise (207–213).
Schrenks evangelistische Predigtweise ist eine zeitgemäße erweckliche Predigt (6. Kap. Evangelisationspredigt als moderne Erweckungspredigt: Die Predigtweise Elias Schrenks und ihre predigtgeschichtliche Einordnung, 215–247). Sie folgt nicht dem zweckfreien, darstellenden Predigtideal Schleiermachers. Schrenks Predigten wollen erwecklich, klar und eindringlich sein, sie sind sprachlich populär und inhaltlich seelsorgerlich ausgerichtet. Die evangelistischen Ansprachen sollen zur Bekehrung hinführen. Durch die tägliche Abfolge seiner Vorträge wirkt Schrenks Predigt anhaltend, anders als die übliche Sonntagspredigt (232f).
Im 7. Kapitel seiner Untersuchung fasst Schmückle die theologischen Grundaussagen von Schrenks Verkündigung zusammen (249–293). Im Zentrum von Schrenks Soteriologie steht das Blut Christ als Mittel der Erlösung und Reinigung des Sünders (274–279). In zwei weiteren Kapiteln beschäftigt er sich mit der Ekklesiologie und der Zielgruppe von Schrenks Predigtweise (8. Kap. Sozialgestalt des Glaubens in der Evangelisationspredigt und Theologie Elias Schrenks, 295–320) sowie dem konkreten Beispiel eines Predigttextes von Schrenk (9. Kap. Beobachtungen zur Predigtweise Elias Schrenks, 321–342). Schmückles Forschungsergebnisse (10. Kap. Der Ertrag der Untersuchung, 343–354) zeigen, wie seine Verbindung von reformatorischer Theologie und Anregungen der Heiligungsbewegung bis heute die Theologie und Praxis der Evangelisation bestimmen oder auch befruchten können. Wer evangelistisch predigt, kann auch noch heute von Elias Schrenk lernen!
Pfarrer Dr. Jochen Eber, Margarethenkirche Steinen-Höllstein