Eckhard J. Schnabel: Jesus, Paul and the Early Church
Eckhard J. Schnabel: Jesus, Paul and the Early Church. Missionary Realities in Historical Contexts – Collected Essays, WUNT 406, Tübingen: Mohr Siebeck, 2018, geb., XVI + 609 S., € 159,–, ISBN 978-3-16-156061-3
Neben seinen hervorragenden Kommentaren zur Apg, dem 1Kor (HTA), dem Röm (2 Bände, HTA) sowie dem MkEv und einer Reihe von Monografien ist Eckhard Schnabel, Distinguished Professor of New Testament am Gordon-Conwell Theological Seminary in Hamilton, Massachusetts, USA (https://www.gordonconwell.edu/faculty/current/eckhard-schnabel), vor allem durch seinen monumentalen Überblick über die Urchristliche Mission bekannt geworden (2. Aufl. 2002; Witten: SCM, 2018).
Der vorliegende Sammelband vereinigt Schnabels Studien zur frühchristlichen Mission und andere Aufsätze, die im Zusammenhang der großen Monografie und danach über einen Zeitraum von 25 Jahren erschienen sind. Die Aufsätze werden wie ursprünglich gedruckt wiedergegeben; eine eigene Einführung gibt es nicht.
Zwei Aufsätze gelten Jesus als messianischem Lehrer. In „Jesus and the Beginnings of the Mission to the Gentiles“ (3–29) diskutiert Schnabel zunächst die Grundlagen (Juden und Nicht-Juden, die frühchristliche Mission für Nicht-Juden, die Evangelien und die Mission für Nicht-Juden), dann Jesus und die Nicht-Juden (Definitionen von Mission, die Begegnungen Jesu mit Nicht-Juden, die Aussagen Jesu über Nicht-Juden). Schnabel schließt
that the Gospels portray Jesus as ministering to Israel with salvation-historical priority as the people of God. At the same time his ministry was not confined to Jews but extended beyond the boundaries defined by the Sinai covenant. His encounters with Gentiles indicated, sometimes quite clearly, that the gospel of the kingdom of God establishes a new covenant community which encompasses Jews and Gentiles alike. In anticipation of things to come Jesus spoke of a future universal mission of his disciples, the profile of which he delineated after his death and his resurrection (25).
Im Aufsatz „The Silence of Jesus: The Galilean Rabbi Who was More Than a Teacher“ (31–81) untersucht Schnabel die Reaktionen Jesu auf Fragen in allen vier Evangelien, die Reaktion Jesu auf Fragen im Zusammenhang des Prozesses gegen ihn, das Verhör Jesu nach den vier Evangelien sowie das Schweigen Jesu im eigentlichen Prozess (bibelkundlicher Befund, analoge Szenen in jüdischen, hellenistischen oder römischen Prozessberichten und die möglichen Gründe für das Schweigen Jesu). Jesu Schweigen ist als souveränes Schweigen zu verstehen. Weil Jesus mit seinem Tod gerechnet hat:
he did not defend himself against the charges with which the Jewish leaders accused him during the cross-examination in his trial. He was willing to speak to the charges that he claimed to be the Messiah and the Son of God. He was evasive with regard to the Messiah charge because he had no immediate political agenda and because he knew the possible misunderstanding concerning the messianic role. Jesus reserves the right to „define his terms“. But he was adamant about his identity as Son of God, claiming much more than a rhetorical dignity. But this could not be understood during the trial, before his death – and vindication – had taken place. Thus Jesus maintained silence (76).
Die folgenden fünf Aufsätze beleuchten verschiedene Facetten von Paulus als Missionstheologen: „Introducing Foreign Deities: The Documentary Evidence“ (85–120; Überblick über den knappen literarischen Befund und ausführliche Analyse mehrerer Inschriften; angesichts mehrerer problematischer Implikationen war Paulus vor der Kultbehörde des Areopag-Gremiums darauf bedacht, zu zeigen, dass er keine neuen Götter einführen möchte, 116); „Repentance in Paul’s Letters“ (121–149, Bedeutung der griech. Begriffe, Paulus und jüdische Vorstellungen von Buße, die Aufrufe zur Umkehr im Rahmen der missionarischen Verkündigung). Zudem setzt der theologische Diskurs des Paulus eine umfassende Umkehr voraus. Auch der rhetorische Diskurs in seinen Briefen beinhaltet die Vorstellung von Umkehr. Ferner ist die Ermahnung zur Umkehr integraler Bestandteil des ethischen Diskurses des Paulus. „Christians are people who have repented of their sins and who have committed themselves to living for God, and they are people who continue to repent of sins they find themselves doing, continuously committing themselves to doing the will of God“ (145).
Im Aufsatz „Evangelism and the Mission of the Church“ (151–174) skizziert Schnabel im Gespräch mit N. T. Wrights Studie Paul and the Faithfulness of God zunächst das missionarische Wirken des Paulus (seine Erstverkündigung nach Ankunft an einem neuen Ort, soweit erkennbar seine geografische Strategie, die Gründung von Gemeinden am Ort, Vergleich des missionarischen Wirkens des Petrus und des Paulus), die Bedeutung der Bekehrung sowie der weiteren Vertiefung des Evangeliums und schließt mit einer Bestimmung des Evangelisationsverständnisses von Paulus her. Mission ist die „activity of a community of faith that distinguishes itself from its environment both in terms of religious belief (theology) and in terms of social behaviour (ethics), that is convinced of the truth claims of its faith, and that actively works to win other people for the contents of faith and the way of life whose truth and necessity the members of the community are convinced“ (169).
Schnabel zeigt im Beitrag „Lives That Speak: ἡ λογικὴ λατρεία in Romans 12:1“ (175–192), dass der Ausdruck ἡ λογικὴ λατρεία im Sinne der Kommunikation eine Lebensführung meinen kann, die für sich bzw. das Evangelium spricht: „The life of a follower of Jesus and the life of each local congregation of believers ‚speaks‘ of the transforming power of God’s mercies and thus of God’s reality and power, ‚for the glory of God‘ (15:7) and for the salvation of Jews and Gentiles (1:16)“ (189). Schnabel diskutiert verschiedene Übersetzungen und untersucht einführend die stoische Polemik gegen kultische religiöse Praktiken und die Forderung einer „vernünftigen“ Verehrung sowie verschiedene Interpretationen des Ausdrucks ἡ λογικὴ λατρεία vor dem Hintergrund stoischer Motive.
Im Aufsatz „How Paul Developed his Ethics: Motivations, Norms, and Criteria of Pauline Ethics“ (193–222) skizziert Schnabel aufgrund seiner Untersuchungen von Gal 5,13–6,10, Röm 12–13, 1Thess 5,9–12, 1Kor 1–4; 6,1–11, 8–10 und Phil 1–2 die Grundlagen und Kriterien für ethische Entscheidungen in der paulinischen Paränese. Dabei identifiziert Schnabel eine theologische Begründung („The fundamental motivations of Pauline ethics are substantially all related to God’s salvific action in Jesus Christ and its consequences“, 215) sowie eine christologische, heilsgeschichtliche, pneumatische, ekklesiologische und eschatologische Begründung der Ethik (215–216). Zudem ist die Verpflichtung auf dieses Verhalten normativ. Sie ergibt sich aus dem Gesetz, der Lehre Jesu und der Apostel sowie aus den Verweisen auf die Schöpfungsordnung: „Paul holds that the individual believer is responsible for his specific conduct in everyday life. This responsibility implies two aspects: the believer is to live in correspondence to the binding norms of Christian ethics and he is to realize the ‚obedience of faith‘ in the concrete situations of everyday life“ (218). Diese Verwirklichung des Willens Gottes durch die Christusgläubigen wird bestimmt und geleitet durch den Heiligen Geist, die Liebe, die Ordnungen der Schöpfung und der Gesellschaft, den Verstand und das Gewissen sowie der Erfordernisse des christlichen Zeugnisses („Some passages imply the missionary effectiveness of the church as motivation for right conduct. Cf. 1Thess 4:12; 1Cor 10:32; Phil 1:27; 1Tim 2:2“, 219).
Die übrigen Aufsätze des Bandes gelten den Realitäten frühchristlicher Mission in ihrem historischen Zusammenhang: „The Meaning of βαπτίζειν in Greek, Jewish, and Patristic Literature“ (225–257); „The Language of Baptism: The Meaning of βαπτίζω in the New Testament“ (259–287); „Jewish Opposition to Christians in Asia Minor in the First Century“ (289–332); „Early Christian Mission and Christian Identity in the Context of the Ethnic, Social, and Political Affiliations in Revelation“ (333–352); „Christians, Jews, and Pagans in the Book of Revelation: Persecution, Perseverance, and Purity in the Shadow of the Last Judgment“ (353–384); „John and the Future of the Nations” (385–413); „Singing and Instrumental Music in the Early Church“ (415–450); „Divine Tyranny and Public Humiliation: A Suggestion for the Interpretation of the Lydian and Phrygian Confession Inscriptions“ (451–477); „Knowing the Divine and Divine Knowledge in Greco-Roman Religion“ (479–503) und „The Theology of the New Testament as Missionary Theology: The Missionary Reality of the Early Church and the Theology of the first Theologians“ (505–534, vgl. dt. in JETh 20, 2006, 139–163). Der Band schließt mit verschiedenen Registern.
Diese Aufsatzsammlung ist eine wertvolle Ergänzung zu Schnabels Monografien und Kommentaren. Einige der hier abgedruckten Aufsätze liegen auch in deutscher Sprache vor. Durchweg sind Schnabels Aufsätze Musterbeispiele für exegetische Arbeit, die wichtige Fragestellungen der Forschung aber auch der Kirche aufgreift und historisch fundiert, im fairen Gespräch mit dem internationalen Forschungsstand und aus evangelikaler Perspektive mit einem hohen Maß an Stringenz und Klarheit behandelt. Auch dafür ist einem der Altmeister evangelikaler neutestamentlicher Wissenschaft im europäischen und nordamerikanischen Kontext zu danken.
Prof. Dr. Christoph Stenschke, Dozent der Biblisch-Theologischen Akademie, University of South Africa, Pretoria