Historische Theologie

Johann Arndt: Vier Bücher von wahrem Christentum

Johann Arndt: Vier Bücher von wahrem Christentum. (1610): Buch 2. Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger unter Mitwirkung von Thomas Illg und Thomas Hahn-Bruckart, Philipp Jakob Spener, Schriften. Sonderreihe Texte – Hilfsmittel – Johann-Arndt-Archiv VII.2, Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2021, Kunstleder, 630 S., € 248,–, ISBN 978-3-487-15894-5

Johann Arndt: Vier Bücher von wahrem Christentum. (1610): Buch 3. Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger unter Mitwirkung von Thomas Hahn-Bruckart, Sarah Lehmann und Ralf Schuster, Philipp Jakob Spener, Schriften. Sonderreihe Texte – Hilfsmittel – Johann-Arndt-Archiv VII.3, Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2022, Kunstleder, 203 S., € 128,–, ISBN 978-3-487-15895-2


Zwei bzw. drei Jahre nach der Edition von Buch 1 des bekannten Erbauungsbuchs Johann Arndts folgen nun das zweite und dritte Buch in entsprechender Weise der Textdarbietung. Damit ist die in der Rezension zu Bd. 1 (https://rezensionen.afet.de/?p=1224) formulierte Hoffnung zum guten Teil in Erfüllung gegangen. Selbstverständlich sind auch die inzwischen erschienenen Bände ein Neusatz der ersten Auflage von 1610. Näheres zu dieser Ausgabe ist im Nachwort von Bd. 1 ausgeführt (s. dazu die genannte Rezension). Der „Editorische Bericht“ fällt deswegen im vorliegenden Band deutlich kürzer aus. Er macht auf einige neue Erkenntnisse für die Arndtforschung aufmerksam. Die in ihr mit großem Aufwand durchgeführte und heftig diskutierte Frage nach der Rezeption mittelalterlicher, spätmittelalterlicher, aber auch frühneuzeitlicher Texte kann um einige interessante Beobachtungen erweitert werden, die bei der Kommentierung von Buch 2 des „Wahren Christentums“ aufgefallen sind. Während die Aufnahme von Texten Johann Taulers und aus der „Theologia Teutsch“ zu erwarten sind, fällt auf, dass die Mystikerin Angela da Foligno (1248–1309) nach der Bibel am häufigsten zitiert wird – freilich ohne nur einmal namentlich genannt zu werden. Umgekehrt wird zwar Bernhard von Clairvaux (1090–1150) prominent auf dem Titelblatt von Buch 2 erwähnt, aber im Text wird nur zweimal auf seine Gedanken Bezug genommen. Thomas á Kempis wird in Buch 1 am häufigsten erwähnt, in Buch 2 erscheint er gar nicht. Erwähnenswert ist noch, dass wohl auch Heinrich Seuse (1295–1366), der bislang nie mit diesem Werk Arndts in Verbindung gebracht wurde, als – namentlich nicht genannter – „alter Vater“ nachgewiesen werden konnte. Diese und weitere Beobachtungen lassen deutlich werden, wie die für eine kritische Edition notwendige intensive Beschäftigung mit dem Text die zwar ohnehin recht umfangreiche Arndtforschung dennoch weiterbringen kann.

Im Anhang werden in synoptischer Weise einige Texte aus Buch 2 mit ihren Vorlagen zusammengestellt. Das ausführlichste Beispiel bietet „Textsynopse 3“ (498–553), wo die, freilich schon bekannte, augenfällige Übernahme von Valentin Weigels Gebetbuch in Kap. 14 von Arndts Werk demonstriert wird. Zwei weitere Synopsen beziehen sich auf Zitate des venetianischen Kanonikers Lorenzo Gustiniani (1381–1456). Gerne hätte der Leser in einer Anmerkung einige Informationen gefunden, über welche Wege Arndt an das Werk dieses eher nur lokal bekannten Autors gekommen sein mag. So werden ohnehin mit großem Aufwand der hier gebotene Text aus dem Jahr 1610 mit den Auflagen von 1615 und 1619 kollationiert, und die Varianten werden im textkritischen Apparat dokumentiert. Stichproben zeigen, dass es sich häufig um einfache Setzfehler oder in Drucken des 17. Jahrhunderts immer wieder vorkommende, aber meist unbedeutende Varianten (z. B. „in“ statt „im“ und umgekehrt) handelt. Die Emendationen werden noch zusätzlich in einer gesonderten Liste aufgeführt (563–577). Dieser editorische Aufwand hätte vielleicht besser in eine – wenn auch knappe – historische Kommentierung gesteckt werden können.

Um einen Eindruck vom ursprünglichen Druck zu erhalten, werden die Titelseite und einige Seiten aus der Ausgabe von 1610 hinzugefügt. Dass die Seitenverweise in den verschiedenen Registern (Bibelstellen und Personen) sich nicht auf die Seiten des vorliegenden Bandes, sondern auf die Paginierung bzw. die Foliierung der Vorlage beziehen, ist (wie schon im Buch 1) der Arbeitserleichterung bei der Erstellung des Manuskripts geschuldet. Für den Leser bleibt es aber äußerst gewöhnungsbedürftig. Zudem dürfte hierin auch die Ursache dafür zu finden sein, dass die im Anhang genannten Personennamen (zu Lorenzo Giustiniani und Jean Michel) im Register gar nicht auftauchen.

Das Literaturregister umfasst eine – ausführliche – Auflistung von Quellen und eine – deutlich kürzere – der Forschungsliteratur.

Zusätzlich zu dem Reprint der Ausgabe von 1610 (Philipp Jakob Spener Schriften, Sonderreihe V.1–3 = Johann Arndt-Archiv = II.1–3) ist nun auch die historisch-kritische Edition (Buch 4 steht noch aus) weit gediehen und bietet der Arndtforschung und insbesondere der Forschung um diesen Bestseller erbaulicher Literatur eine breite Basis für ihre weitere Arbeit.


Dr. Klaus vom Orde, Edition der Briefe Philipp Jakob Speners, Sächsische Akademie der Wissenschaften, Halle an der Saale