Neues Testament

Timo Eskola: A Narrative Theology of the New Testament

Timo Eskola: A Narrative Theology of the New Testament. Exploring the Metanarrative of Exile and Restoration, WUNT 350, Tübingen: Mohr Siebeck, 2015, geb., 477 S., € 139,–, ISBN 978-3-16-154012-7

Download PDF


Der habilitierte Verfasser dieser neutestamentlich-hermeneutischen Studie (sie fußt auf seinem Werk „Messiah and the Throne“ von 2001) ist ein 1955 geborener finnischer Neutestamentler; Eskola (= E.) ist an der Universität von Helsinki als Privatdozent tätig.

Gleich im ersten Abschnitt kommt E. auf sein Hauptanliegen zu sprechen: eine „synthesis of the New Testament’s message…“ (1) Der Buchtitel signalisiert die Methode. Diese wird am Anfang des kurzen einführenden ersten Kapitel (1–15) in folgender Grundthese konzentriert: Neutestamentliche Theologie „is a matter of the content of the texts and, therefore, depends on the semiotic nature and narrative structure of the texts in question.“ (1) Dies impliziert eine Kritik der traditionellen historisch-kritischen Methode (dafür stehen namentlich Bultmann und Käsemann). Alles muss bei Jesus selbst beginnen (6f), konkret: „with a credible reconstruction of Jesus’ teaching in the context of Second Temple Jewish theology“ (8). Als theologische Gewährsleute (vgl. die vollständigere Namensliste, 419) seines Ansatzes nennt E. vor allem B. F. Meyer, E. P. Sanders und N. T. Wright, jedoch auch J. Jeremias, M. Hengel und P. Stuhlmacher; letzterer wird sogar weit über 30mal zitiert.

Das zweite Kap. (16–188: „Jesus’ message“) umfasst acht Abschnitte und ist das umfänglichste. An erster Stelle steht der Grund legende Teil „Exile and restoration“. Das babylonische Exil ist ein Ereignis, das „has affected the very formations of Jewish, to say nothing of Christian theology“ (16). Das Exil ist also laut E. ein historisch wie auch theologisch zentrales Ereignis. Er durchsucht dann querschnittartig die relevanten geschichtlichen und prophetischen Partien des AT, die apokalyptische Literatur und das Qumran-Schriftgut und findet Elemente der sog. restoration theology, also beispielsweise die Zurückführung ins Heilige Land, den Wiederaufbau des Tempels oder die Rede vom neuen David. Diese Hoffnungen überschreiten jedoch immer mehr die realen Gegebenheiten; sie gewinnen kosmisch-universalen und eschatologischen Charakter.

Materialiter geht es – um einige Teilüberschriften zu zitieren – um den Sohn Davids „as a builder of an eschatological temple“, „God the King and his royal Jubilee“, „A community of priestly purity“ und im letzten Abschnitt um „A suffering Messiah: on Jesus’ identity“, an dessen Ende erwartungsgemäß um die Auferstehung.

Inhalt des dritten Kap. (189–245) ist „The teaching of earliest Christianity“, im ersten Abschnitt die Interpretationen des Osterereignisses; im dritten vergleicht E. „Early Christological and Jewish synagoge liturgy“, im zweiten präsentiert er „Six Christological narratives“, die verschiedene, jedoch ähnliche Wege aufzeigen, um „the theological significance of Jesus’ death and resurrection“ (215) zu beschreiben.

Neben dem ersten Schwerpunkt auf Jesus (Kap. 2) setzt E. – völlig zu Recht – den zweiten Schwerpunkt bei Paulus. Das vierte Kap. (246–386) trägt die Überschrift „Paul the theologian“, genauer: „a very ,Jewish‘ theologian“ (387²). Konsequenterweise sieht E. enge Verbindungen zwischen Jesus, Mose und Paulus (vgl. 424); er versteht Paulus primär und vor allem als Vertreter einer restoration theology bzw. restoration eschatology. Zentral ist dabei die These, dass „Paul reinterpretets restoration eschatology by expanding the idea to include every human being’s inner conflict.“ (252) und eine Seite später: Paulus „builds on a metanarrative where a crucial kairos moment fulfills God’s salvation history. While biblical theology in the Protestant tradition has often lost the connection between Jesus and Paul, restoration eschatology is able to bridge that gap…“ (vgl. 248).

Im fünften Kap. (387–417: „Jewish Christianity“) verfolgt E. Elemente der restoration theology im Hebräer-, Jakobus- und den beiden Petrusbriefen, im Corpus Johanneum und am Ende in der Apokalypse. Große Teile „speak about a spiritual temple, and comfort those in the spiritual priesthood that will be oppressed until the day of final liberation.“ (387)

Das kurze, abschließende sechste Kap. (419–425: „Conclusion: From metanarrative to theology“) blickt – die Hauptthesen noch einmal wiederholend – zurück. Der letzte Satz dieses Werkes lautet: „The outcome appears to have explanatory force and brings forth new thoughts.“

Abschließend die folgenden fünf Schlussbemerkungen:

Man lese das Vorwort, das erste und das letzte Kap. zuerst. Sie nennen die wichtigsten Begriffe und E.s Hauptthesen.

Kein sehr wichtiger Punkt, aber doch ärgerlich und unverständlich ist, dass urschriftliche Zitate in einem wissenschaftlichen Werk in Umschrift wiedergegeben werden.

Im Blick auf die Synoptiker bezieht sich E. hauptsächlich auf Matthäus, weniger auf Markus und so gut wie gar nicht auf Lukas. Schade.

E. macht mit vielen anglo-amerikanischen Autoren bekannt; Kehrseite dessen ist, dass – trotz E.s Rekurs auf Tübinger Neutestamentler – wichtige exegetische und hermeneutische Literatur und neueste Aufbrüche nicht berücksichtigt werden; exemplarisch seien Jüngels „Paulus und Jesus…“ (erstmals 1962) und zuletzt Luz’ „Theologische Hermeneutik des NT“ (2014) genannt.

E.s Wille zum großen Ganzen der biblischen Tradition wie auch seine Versuche, dieses große Ganze in der restoration theology zu fassen, sind beeindruckend sind beeindruckend. Er versteht diese manchmal jedoch sehr weit; für deutsche LeserInnen hätte er sie außerdem mehr explizieren müssen. Angesichts der Vielfalt der biblischen Traditionen wäre m. E. ein „polyphones Verstehen“ (Theißen, 2014) angemessener. Gleichwohl gibt E. der exegetischen und systematischen Theologie in Sachen „Eschatologie“ diskussionswürdige Anstöße.

 

Dr. Gerhard Maier, Pfarrer i.R., Neuffen

 

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.