Felix Eiffler: Kirche Hier und Jetzt
Felix Eiffler: Kirche Hier und Jetzt. Wie Christen Gottes Mission treu sind und ihrem Kontext gerecht werden, Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2023, geb., 284 S., € 25,–, ISBN 978-3-417-00010-8
Die Kirchenaustrittszahlen sind entmutigend. Prognosen sagen die Halbierung der Mitgliedszahlen in den Großkirchen bis 2060 voraus. Dieser düsteren Realität stellt Felix Eiffler mit seinem Buch „Kirche Hier und Jetzt“ ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Kirche entgegen, die auch im nachchristentümlichen Umfeld kontextsensibel und missionarisch Zugangswege zu den Menschen sucht. Der Vf. hat bereits intensiv über „urbane Gemeindeentwicklung“ gearbeitet (vgl. die Rezension seiner Greifswalder Dissertation hier), leitet inzwischen die Forschungsstelle Missionale Kirchen- und Gemeindeentwicklung (MKG) an der Universität Halle-Wittenberg und schreibt im Wesentlichen aus landeskirchlicher Perspektive.
Zunächst geht Eiffler der Frage nach, warum und wozu es Kirche gibt (Teil I, 13–84). Zur Begründung der kirchlichen Mission nimmt er die klassische missionstheologische Figur der missio Dei auf – die Kirche sei „gewissermaßen das Nebenprodukt der göttlichen Sendung“ (22). Zur konkreten Beschreibung des kirchlichen Auftrags dienen sodann die von der Anglikanischen Gemeinschaft beschriebenen fünf Merkmale der Mission Gottes: 1. Die gute Nachricht vom Reich Gottes verkünden; 2. Menschen, die (neu) glauben, lehren, taufen und fördern; 3. Auf menschliche Nöte mit liebevollem Dienst reagieren; 4. Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit, Frieden und Versöhnung fördern; 5. Die Schöpfung und das Leben auf der Erde schützen. Im Rahmen eines solch breiten Verständnisses von Mission sieht Eiffler in den Merkmalen 1 und 2 zwar das spezifische Proprium der Kirche, weshalb er in Anlehnung an Michael Herbst von einem „kleinen sachlichen Prae der Evangelisation“ spricht (55). Dennoch sei „die verkündende und die diakonische Dimension der Mission weder voneinander [zu] lösen noch gegeneinander aus[zu]spielen (…), ohne der Mission Gottes einen ernsthaften Schaden zuzufügen“ (56).
Anschließend beschreibt Eiffler nachdrücklich die Notwendigkeit einer Kirche, die sich zuhörend, dienend und kultursensibel in den jeweiligen Kontext hineinbegibt (Teil II, 85–148). In Anknüpfung an missionale Vordenker wie David Bosch, Tim Keller oder Michael Moynagh warnt er dabei sowohl vor einer Unter- als auch einer Überkontextualisierung. Ein biblisch verankertes Evangelium müsse die „norma normans“ bleiben: „Wir müssen um eine Kontextualisierung ringen, die beidem gerecht wird: dem Evangelium und dem Umfeld.“ (123). Damit betont der Vf. zu Recht, dass eine fruchtbare Mission der Kirche einerseits durch eine mangelnde Anschlussfähigkeit an kontextuelle Gegebenheiten, andererseits durch eine theologische Beliebigkeit ohne kritisch-kontrakulturelle Distanz zur Umwelt bedroht ist.
Ausführlich werden schließlich die Chancen und Herausforderung der Kirche in drei spezifischen Kontexten durchbuchstabiert (Teil III). Dabei skizziert Eiffler wichtige Leitplanken für das missionarische Handeln lokaler Gemeinden im urbanen (150–185), ländlichen (186–224) und digitalen Raum (225–257, Beitrag von Miriam Wolf). Durch die konsequente Orientierung an den genannten fünf Merkmalen der Mission Gottes entfalten sich ausgewogene, umsichtige, im besten Sinne ganzheitliche Perspektiven auf den missionarischen Auftrag der Kirche. Da allerdings heute gerade im landeskirchlichen Kontext, für den Eiffler schreibt, die Merkmale 3 bis 5 quasi durchgängig anerkannt, die Merkmale 1 und 2 aber faktisch stark umstritten (und daher unterbelichtet) sind, hätten diese als Herzstück der Mission kontextuell doch eine noch deutlichere Profilierung verdient.
„Kirche Hier und Jetzt“ ist kein reines Praxisbuch, konkrete kybernetische Schritte der Gemeindegestaltung werden meist nur angedeutet. Als konzeptionelles Grundlagenwerk adressiert es vor allem die Spezies der „reflektierenden Praktiker“ – und will so ausgehend von einer inspirierenden Theorie des missionarischen Gemeindeaufbaus die Brücke hin zur Praxis schlagen. Dazu sollen nicht zuletzt die Beispiele „aus der Praxis“ dienen, mit denen ein Autorenkollektiv die Ausführungen der jeweiligen Kapitel „erdet“.
Prof. Dr. Philipp Bartholomä, Professor für Praktische Theologie an der FTH Gießen