Historische Theologie

Matthias Freudenberg / Andreas Mühling / Peter Opitz (Hg.): Reformierte Bekenntnisschriften

Matthias Freudenberg / Andreas Mühling / Peter Opitz (Hg.): Reformierte Bekenntnisschriften, Bd. V: Ausgewählte Texte in deutscher Übersetzung, Bd. V/1: 1523–1561, Bd. V/2: 1563–2019, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2023, Ln., VIII+405 S., VIII+397 S., € 49,–, ISBN 978-3-525-55467-8


Eigentlich sollte an dieser Stelle der für 2024 angekündigte Band 4/2 der Reformierten Bekenntnisschriften (RefBS) besprochen werden. Doch der Herausgeberkreis ist überraschenderweise der Fertigstellung des Gesamtwerks mit den beiden Teilbänden 4/2 und 4/3 zuvorgekommen und hat Ende 2023 einen 802 Seiten starken 5. Band in zwei Teilbänden herausgebracht. Die großzügige Förderung des Projekts durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich positiv auf die Preisgestaltung ausgewirkt: 49 Euro sind ein sensationeller Preis für zwei in Deutschland gedruckte und in Leinen gebundene Bücher mit anspruchsvollem theologischen Inhalt! Mit Band 5 wird eine preiswerte Sammlung von vierzig Dokumenten in heutigem Deutsch veröffentlicht, die sowohl in theologischen Seminaren als auch in der Hand interessierter Leser Verwendung finden kann.

Die Vorteile dieser vorzüglichen Edition fallen auf, wenn man sie mit vorangegangenen Auswahlausgaben, die für ähnliche Zielgruppen gedacht waren, vergleicht. Wilhelm Niesel veröffentlichte auf dem Hintergrund des Kirchenkampfes 1938 fünfzehn Glaubenszeugnisse unter dem Titel Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche (BSKORK). 11 Dokumente stammten aus dem 16. Jahrhundert, darunter der Heidelberger Katechismus im theologisch wichtigen Zusammenhang der Kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563 (Niesel 136–218). Die Originalsprachen Latein, Französisch und Englisch setzen eine gut ausgebildete Leserschaft voraus. Drei Theologische Erklärungen von 1933 und 1934 ergänzten die Auswahl klassischer Bekenntnisse.

Paul Jacobs gab 1949 Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen in deutscher Übersetzung (RBSKO) heraus. Diese Ausgabe umfasste nur acht zentrale Bekenntnistexte und war primär für den Gebrauch in der Gemeinde gedacht.

Die Sammlung Reformiertes Zeugnis heute wurde 1988 von Lukas Vischer herausgegeben. Sie dokumentiert 22 Bekenntnistexte aus der neueren reformierten Tradition und sieben Dokumente aus Unionsverhandlungen. Neben der Unionsurkunde der Kirche von Südindien (1941) kann man darin kirchliche Veröffentlichungen von 1953 bis 1984 vorwiegend aus Asien, Afrika und den USA, aber auch aus Europa und je ein Dokument aus Australien und Kuba finden.

Als unmittelbarer Vorläufer des 5. Bandes der Reformierten Bekenntnisschriften erweist sich die Taschenbuchausgabe Reformierte Bekenntnisschriften: Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2005 herausgegeben von Georg Plasger und Mattias Freudenberg (Göttingen: V&R, 280 S.) Sie enthält acht klassische Bekenntnisse aus den ersten 100 Jahren reformierter Theologie (die Berner Thesen 1528, die Fidei Ratio 1530, den Genfer Katechismus 1545, das Hugenottische Bekenntnis 1559, das Schottische Bekenntnis 1560, den Heidelberger Katechismus 1563, das Zweite Helvetische Bekenntnis 1566 sowie die Dordrechter Lehrsätze 1619). Darüber hinaus sind fünf neuere Verlautbarungen abgedruckt: das Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen 1934, die Barmer Theologische Erklärung 1934, die Leuenberger Konkordie 1973, das Bekenntnis der Karo-Batak-Kirche in Indonesien 1979 und das Bekenntnis von Belhar (Kapstadt, Südafrika) 1986. Für 20 Euro war das Bändchen mit 13 Dokumenten 2005 noch eine erschwingliche Lektüre für jedermann. Bis heute ist der Preis allerdings auf 32 Euro gestiegen.

Deshalb ist der 5. Band der Reformierten Bekenntnisschriften mit vierzig Dokumenten und einem ausführlichen Sachregister mehr zu empfehlen. Niemand kann den Käufern verübeln, dass sie sich für das vorliegende Werk RefBS Bd. 5 entscheiden. Das vorgegebene Ziel, in zeitgenössischer deutscher Übersetzung „eine für die gesamte reformierte Bekenntnistradition repräsentative Auswahl“ zu treffen, die „besonders auch die Wirkungsgeschichte und damit die geschichtliche Bedeutung der Bekenntnistexte berücksichtigt“ (Vorwort, S. 3) wurde in den beiden Teilbänden erfüllt.

Schwerpunktmäßig wurden anhand vorgegebener Kriterien 24 Dokumente im Umfang von knapp 660 Seiten aus dem 16. und weitere sechs aus dem 17. Jahrhundert ausgewählt. „Es sollten Bekenntnisse abgedruckt werden, die in ihrer Entstehungszeit eine zentrale, für die Gesamtheit der reformierten Lehre und Kirche repräsentative und zum Teil auch überregional bedeutsame Rolle eingenommen haben“ (13). Ihre Wirkung bis heute ist genauso wichtig wie die Aufnahme repräsentativer Bekenntnisse aus der Reformation und der Zeit der Konfessionalisierung. Die Sammlung beginnt – 500 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen – mit Zwinglis 67 Thesen (1523). Es folgen die Berner Thesen (1528), das Bekenntnis der ostfriesischen Prediger (1528), die Marburger Artikel (1529), Zwinglis Fidei ratio (1530), die Confessio Tetrapolitana (1530), die Lehrartikel des Berner Synodus (1532), das Waldenserbekenntnis (1532), das Basler Bekenntnis (1534), die Confessio Helvetica prior (1536), der Katechismus und das Glaubensbekenntnis von Genf (1537/1538), die Genfer Kirchenordnung (1541/1561), der Genfer Katechismus (1542/1545), der Consensus Tigurinus (1549), der Kleine Emder Katechismus (1554), die hugenottische Confessio Gallicana (1559/1571), die Französische Kirchenordnung (1559), die Confessio Scotica (1560) und die Confessio Belgica (1561).

Der Heidelberger Katechismus (1563) eröffnet den zweiten Teilband. Ihm folgen die 39 Artikel der Church of England (1563/1571), die Confessio Helvetica posterior (1566), der Consensus Sendomirensis (1570), die Akten der Emder Synode (1571); aus dem 17. Jahrhundert (Nr. 25 bis 30) die Bentheimer Artikel (1613), die Confessio Sigismundi (1614), die Irischen Religionsartikel (1615), die Canones von Dordrecht (1619), die Westminster Confession of Faith (1647) und die Helvetische Konsensformel (1675).

Auf die Konsensformel folgt aus bekannten Gründen für mehrere Jahrzehnte kein neues reformiertes Bekenntnis. In Band 4/1 der Reformierten Bekenntnisschriften sind allerdings 13 Texte aus der Zeit zwischen 1814 und 1874 veröffentlicht. Sie waren eher von lokaler Bedeutung und wurden deshalb nicht für Band 5 ausgewählt.

So wird in Bd. 5/2 die Dokumentation der reformierten Bekenntnisbildung (Nr. 31 bis 40) erst nach einem zeitlichen Abstand von 200 Jahren mit einem Text aus dem späten 19. Jahrhundert, der Cumberland Confession of Faith (1883), wieder aufgenommen. Auf den 106 Seiten des zweiten Teilbandes von Band 5 mit zehn Dokumenten aus den letzten 140 Jahren folgen neun weitere Bekenntnisse aus der jüngsten Kirchengeschichte, vor allem aus dem 20. Jahrhundert. Sie werden auch in der wissenschaftlichen Edition (RefBS Bände 4/2 und 4/3), abgedruckt werden.

Es handelt sich um die folgenden Bekenntnisse: das Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen (1934), die Barmer Theologische Erklärung (1934), das Bekenntnis der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA (1967), die Leuenberger Konkordie (1973), das Bekenntnis von Belhar (1982/1986) und die Kurze Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche der USA (1991). Aus dem 21. Jahrhundert sind die Erklärung von Accra (2004), die Neue Glaubenserklärung der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs (2017) und das Gemeinsame Verständnis des christlichen Glaubens und Glaubenserklärung der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien (2019) beigegeben. – Bei den meisten Bekenntnissen und theologischen Erklärungen der letzten sechzig Jahre kann man den Trend beobachten, Fragen gesellschaftlich-ökologischer Ungerechtigkeiten als Situation aktualisierten Bekennens in den Vordergrund zu stellen. Das Interesse der Bekennenden verschiebt sich dem Anschein nach von der Heilstat Gottes in Christus zu den Taten, die von Christen und Nichtchristen in heutigen mehr oder weniger christlichen, hinduistisch-buddhistischen, atheistischen oder mehrheitlich islamischen Staaten (wie Indonesien) gefordert werden. Ganz abgesehen von der Frage, ob man mit diesen „Bekenntnissen“ das angestrebte Ziel der Überwindung ungerechter Verhältnisse auch nur partiell erreichen wird, müssten die Konfessoren gefragt werden, ob sie ihre Monita nicht auf andere Weise besser und effektiver als in einem Glaubensbekenntnis oder einer ähnlich strukturierten Theologischen Erklärung zu Gehör bringen könnten. An den kirchlichen Auftrag nach Mt 28,17ff erinnert beispielhaft 1934 der zweite Verwerfungssatz der 4. These der Barmer Theologischen Erklärung: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden“ (RefBS 5/2, 709).

Die „Ausgewählten Texte in deutscher Übersetzung“ sind eine gelungene Selektion bedeutender älterer und moderner reformierter Bekenntnisse. Der Band wird von einem ausführlichen Sachregister erschlossen (781–800). Dieses erlaubt einen schnellen Zugriff auf den vorzüglichen Querschnitt durch fünf Jahrhunderte zentraler reformierter Glaubenstexte.


Pfarrer Dr. Jochen Eber, Schriesheim