Praktische Theologie

Maria Liu Wong: On Becoming Wise Together

Maria Liu Wong: On Becoming Wise Together. Learning and Leading in the City, Theological Education between the Times (TEBT), Grand Rapids: Eerdmans, 2023, kt., 158 S., $ 19,99, ISBN 978-0-802-87906-6


Maria Liu Wong ist Theologin sowie Bildungswissenschaftlerin und arbeitet als Kuratorin und Prorektorin am City Seminary of New York / USA. Mit dem vorliegenden Buch legt sie eine persönliche und tiefgehende Reflexion darüber vor, wie theologisches Lernen das Wohl des Einzelnen und des Gemeinwesens fördern kann. Hierzu nutzt sie einen autoethnografischen Ansatz, mit dem sie ihren Werdegang als eingewanderte Anglo-Chinesin untersucht, um das Potenzial und die Verwobenheit unterschiedlicher Bildungsprozesse zu skizzieren.

In Kapitel 1 („Waiting“) schildert Wong den thematischen Rahmen ihres Buches. Im Rückblick wird ihr deutlich, wie ihre Prägung bereits bestimmte Wege vorzeichnete und manche Werte, Haltungen und Kompetenzen begünstigte, von denen sie bis heute profitiert. Ihre These lautet: Was wir inhaltlich wissen, ist im theologischen Bildungsprozess genauso wichtig wie die Art und Weise, wie der Ort und die Menschen, durch die wir lernen. Dies kann formal, nicht-formal und informell geschehen, sodass Wong die Theologie vor allem als Verb, d. h. als gemeinsame, vertrauensvolle Tätigkeit unterschiedlicher Menschen versteht.

Kapitel 2 vertieft die Sphäre der Familie, während Kapitel 3 auf den Wert und Einfluss von Freunden eingeht. Die Autorin teilt hierzu ihre Migrationserfahrungen, beschreibt die missionarische Arbeit ihrer evangelikal geprägten Eltern unter Diaspora-Chinesen und reflektiert über die Kultur ihrer Herkunfts- bzw. ihrer aktuellen Familie. Anschließend erinnert sie sich an ihre vielfältigen Auslandserfahrungen und wie die Freundschaften zu Menschen aus anderen kulturellen bzw. kirchlichen Kontexten sie geprägt haben. Hierbei schlägt Wong regelmäßig die Brücke zu ihrer aktuellen Arbeit am City Seminary, das theologische Bildung für Menschen unterschiedlicher Generationen und Kirchen mit Strahlkraft ins Quartier ermöglichen will.

In den darauffolgenden Kapitel 4 („Learning“) und 5 („Leading“) verschiebt die Autorin den Fokus vom Persönlichen auf konzeptionelle und praktische Überlegungen. Ihr geht es noch zugespitzter um die Frage, wie ein gemeinschaftliches, nachhaltiges, transformatives, ganzheitliches, interdisziplinäres und lebenslanges Lernen im urbanen Kontext aussehen kann. Wong liefert hierzu griffige Beispiele und berichtet ehrlich von eigenen Grenz- und Lernerfahrungen. So fordert sie ihre Leser heraus, außerhalb strikter Konventionen zu denken und kreativ zu handeln, um mit Gleichgesinnten gutes Lernen sorgsam zu begünstigen und mutig anzuleiten.

Das Kapitel 6 („Becoming“) dient als Epilog. Wong unterstreicht noch einmal den Wert christlicher (Lern-)Gemeinschaft. Allerdings erinnern Erlebnisse wie die Covid-19-Pandemie, Rassismus und andere gesellschaftliche Herausforderungen daran, dass Christen als Pilger inmitten von Begrenzung und Zerbrechlichkeit in einer Zwischenzeit leben. Hier ermutigt sie die Leser, sich täglich, beharrlich und zuversichtlich an Gottes Weisheit und Plan mit der Welt zu orientieren, um gemeinsam vor Ort einen Unterschied zu machen. Ein Anhang mit weiterführenden Fragen und ein Endnotenverzeichnis runden den Titel ab.

On Becoming Wise Together bietet eine anregende, aber auch etwas fordernde Lektüre. Mal schreibt Wong kontemplativ oder verletzlich, dann wieder analytisch oder konfrontativ. Mal steht das Autobiografische im Vordergrund, dann eine theologische Argumentation, bevor sie ihren Gedankengang mit Vertiefungsfragen an ihre Leser unterbricht oder eine weitere Episode ihres Lebens einflechtet. Dies alles reichert sie teilweise mit Zitaten, Gedichten oder Fotos an.

Dieser Wechsel zwischen Genres und Schreibstilen, zwischen Themen und Zeitsträngen kann einerseits ermüden, andererseits trifft er Wongs Anliegen. Statt einer klar definierten Abhandlung möchte sie ihren Lesern etwas anderes bieten: Sie lädt zu einer ehrlichen Begegnung und zu einem gemeinsamen Ringen ein.

Nicht alle Standpunkte überzeugen hierbei. Wong greift auf unterschiedlichste Denker und Perspektiven zurück, von der intersektionalen Feministin Bell Hooks bis hin zum einflussreichen Pfingsttheologen Amos Yong und seiner recht universalen Pneumatologie. Während die Impulse zur Kulturtheologie, inkarnatorischen Quartiersarbeit und zu formative practices sehr stark sind, werden christologische, soteriologische und ekklesiologische Fragestellungen wenig beleuchtet. Nicht das Konfessionelle oder die Kommunikation des Evangeliums als Botschaft stehen im Vordergrund, sondern das Prozesshafte und Existenzielle, das Kreatürliche und Transformatorische. Dies spiegelt sich auch in ihrer weit gefassten Arbeitsdefinition wider: „The goal of theological education, then, is for God’s people and creation to flourish, to reconcile brokenness, and to see grace and wholeness in families, churches, and communities in our world. We search in faith for deeper meaning, to understand and respond to God’s living presence as the Holy Spirit moves.” (8)

Am Ende erinnert die Autorin mit ihrer autobiografischen Minoritätsperspektive daran, dass theologische Ausbildung und gelebter Glaube, Individuum und Gemeinschaft zusammengehören. Dabei sind persönliches Wachstum und Lernen von Gottes Wirken abhängig, was wiederum positive Auswirkungen auf das jeweilige Umfeld haben sollte.

Lehrkräfte in theologischen Ausbildungsstätten werden hier trotz mancher berechtigter Anfragen interessante Impulse zu den verschiedenen Akteuren, Dimensionen, Formen und Möglichkeiten theologischer Bildung finden, die über das formalisierte und individualisierte Lernen hinausgehen. Zudem sensibilisiert Wongs Buch für die Frage, wie christliche Ausbildungsstätten noch nachhaltiger in ihren Kontext vor Ort hineinwirken und der christlichen Gemeinde dienen können.


Daniel Vullriede, M.A., M.A., Dozent am Bibelseminar Bonn und IBEI Rom