Nico Limbach: Mündige Nachfolge gemeinsam lernen
Nico Limbach: Mündige Nachfolge gemeinsam lernen. Theologische sowie bildungs- und lerntheoretische Orientierungen für eine Erwachsenenbildung im Glauben am Lernort Gemeinde, MuK 4, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2024, 408 S., € 68,–, ISBN 978-3-374-07565-2
Während das Thema „discipleship“ als Beschreibung von christlichem Leben im internationalen Raum seit Jahren eine breite Beachtung erfährt, geschieht der Diskurs im deutschsprachigen Kontext bis dato eher verhalten. Mit der bildungs- und lerntheoretischen Arbeit von Nico Limbach, die den Titel „Mündige Nachfolge gemeinsam lernen“ trägt, wird nun ein fundierter Beitrag aus deutscher, evangelisch-lutherischer Perspektive in die Diskussion eingebracht, der besagtes Desiderat schließen könnte. Die Forschungsarbeit wurde als Dissertation von der Universität Greifswald angenommen. In vier Hauptteilen wird darin der Frage nachgegangen, wie sich Nachfolge als „Bildungs- bzw. Lernprozess begreifen, gestalten und fördern“ lässt und wie „Gemeinden einen solchen Prozess unterstützten“ können (22).
Im ersten Teil kommt es zu einer begriffsgeschichtlichen Bestimmung eines angemessenen Verständnisses von Nachfolge (31–118). Dem Verfasser gelingt es, „Nachfolge“ biblisch-exegetisch nicht als abstrakten Begriff, sondern als „dynamisches, konkretes und sichtbares Geschehen“ (32), als „Chiffre für das ganze christliche Leben“ (41), das an die Person Jesus Christus gebunden ist (43), greifbar zu machen. Durch kirchengeschichtliche und systematisch-theologische Ausarbeitungen kommt es zu sinnvollen Konkretisierungen des Nachfolgebegriffs als metaphorische Beschreibungsfigur der „Gestaltwerdung des christlichen Glaubens als Dasein bestimmendes Vertrauen auf Jesus Christus, welches eine Teilhabe an dessen Gemeinde […] sowie an dessen Sache [Missio Dei] mit sich bringt“ – oder einfach kurz: Nachfolge steht „für ein christusgemäßes Leben“ (116).
Im zweiten Teil wird der Begriff und das Phänomen „Nachfolge“ im Bildungskontext verortet. Es wird die Frage geklärt, was „mündige Nachfolge“ bedeutet – womit der Fokus auf die „Subjektgemäßheit“ des Nachfolgenden verschoben wird (121–195). Nach einer sinnvollen Klärung, was ein evangelisches Bildungskonzept beinhaltet, wird Nachfolge als ein durch den Glauben vollzogener Lern- und Bildungsprozess beschrieben. Dahingehend wird die wichtige Rolle der Bibel, des Gebets und der christlichen Gemeinde erörtert. Limbach kommt zur logischen Schlussfolgerung, mündige Nachfolge als einen „lebenslangen, von Gottes Geist durchwirkten Prozess des Freilegens aller einem Menschen gewährten Möglichkeiten für ein christusgemäßes Leben“ zu deuten (191).
In einem dritten Teil kommt es zu lerntheoretischen Vertiefungen (199–295). Menschliches Lernen wird multidisziplinär, vor allem psychologisch und philosophisch, als komplexes, von keiner einzelnen Theorie vollständig zu erschließendes Phänomen bestimmt. Es kommt dahingehend zu Differenzierungen zwischen formativem und transformativem, bewusstem und unterbewusstem sowie intentionalem und inzidentellem Lernen. Anhand der Lerndimensionen des Inhaltes (Christusbeziehung, Teilhabe an seiner Gemeinde und Sache), des Antriebs (im Glauben) und der Interaktion (Umfeld Gemeinde) wird sinnvoll beschrieben, wie mündige Nachfolge gelernt werden kann.
Im vierten Teil fokussiert sich Nico Limbach auf die Bedeutung des gemeinsamen Lernortes christlicher Gemeinden als Praxisgemeinschaft. Schwerpunktmäßig konzentrieren sich die Ausführungen auf formelle (bspw. Hauskreise, Mentoring) und informelle (u. a. ehrenamtliches Engagement oder Andachten) Lernprozesse (299–382). Genannten lerntheoretischen Reflexionen konkreter Nachfolge-Lernangeboten in Gemeinden ist ein vertiefter Zugang zu Bibel, Gebet und Gemeinschaft besonders wichtig.
Insgesamt überzeugt Nico Limbachs Arbeit mit einem umfassenden sowie multiperspektivischen Blick auf „Nachfolge“. Die Verortung des Nachfolgebegriffs und -phänomens in bildungs- und lerntheoretische Kontexte ist äußerst gelungen und macht das Thema für landes- und freikirchliche Gemeinden fruchtbar.
Dr. Manuel Gräßlin, Pastor im ICF Karlsruhe, Content Creator bei FeedYourself und Gastdozent am Theologischen Seminar St. Chrischona.