Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.): Wie hältst du´s mit der Kirche?
Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.): Wie hältst du´s mit der Kirche? Zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft. Erste Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2023, 102 S., € 12,–, ISBN 978-3-374-07490-7
Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland untersucht(e), wie Menschen zu Kirche, Glaube und Religion stehen. Das vorliegende Werk gibt einen konzentrierten Überblick über die wesentlichen Ergebnisse der repräsentativen Studie für die deutsche Gesamtbevölkerung. Weil die meisten Erkenntnisse daraus bei Theologinnen, Pfarrern und kirchlichen Mitarbeiterinnen mittlerweile als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können, wird in der vorliegenden Rezension nur eine kurze Zusammenschau gegeben.
Die Untersuchungen zeigen das vermeintlich Offensichtliche: Die Kirchenbindung in Deutschland geht enorm zurück – eine weitere Zuspitzung ist nicht auszuschließen. Ebenso gehört die (kirchenferne) Religiosität der in Deutschland lebenden Menschen zu keiner anthropologischen Konstante mehr (56% Säkulare). Gleichwohl ist die „Reichweite der Organisation Kirche in die Gesellschaft hinein […] bleibend hoch“ und „eine Rückläufigkeit ist nicht erkennbar“ (65) – das betrifft insbesondere die Konfirmationsarbeit, den Religionsunterricht, kirchliche Kindergärten und Jugendgruppen.
Ein Hauptgrund für besagte Austritte und die fehlende Bindung sind die multiplen Krisen (u. a. ökonomische Situationen, Missbrauchsskandale) und die großen Reformerwartungen an Kirche, insbesondere was das Erreichen der jungen Generation betrifft, „weil in deren Sozialisationsphase die Haltung zu den Themen Religion und Kirche nachhaltig geprägt wird“ (85). Es gibt eine hohe Zustimmung für eine verstärkt ökumenische Ausrichtung der evangelischen Kirchen – jenseits konfessioneller Stereotypen – und für die kirchliche Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, da der erkannte Mehrwehrt von Kirche nach wie vor groß ist.
Mir erscheint es sinnvoll, den konzentrierten Überblick der Studie mit dem ausführlicheren Bericht zur KMU 6, der von dem sozialwissenschaftlichen Institut der EKD und der katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral herausgegeben wurde, zu vertiefen. Zudem erscheint mir ein Gespräch mit Tomáš Halíks Der Nachmittag des Christentums bedeutsam, wo eine alternative Sichtweise auf die Phänomene der Säkularisierung gegeben werden: Nicht nur als Niedergang, sondern als Transformation der christlichen Religion – hinein ins Spirituelle und/oder in einen christlichen Nationalismus. Für den deutschen Kirchenkontext bleibt der Umgang und das Erreichen von säkularen Menschen nach wie vor sehr bedeutsam. In anderen Ländern Europas, wie England und Frankreich, lässt sich mittlerweile eine Gegenbewegung zur Säkularisierung feststellen: zurück ins Kirchliche. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Gegenbewegung weiter fortsetzt und ob ähnliche Beobachtungen auch bald in Deutschland wahrgenommen werden können.
Dr. Manuel Gräßlin, Pastor im ICF Karlsruhe, Content Creator bei FeedYourself und Gastdozent am Theologischen Seminar St. Chrischona.