Altes Testament

Antoon Schoors: Ecclesiastes

Antoon Schoors: Ecclesiastes, Historical Commentary on the Old Testament, Leuven: Peeters, 2013, kt., LXVI+856 S. € 79,–, ISBN 978-90-429-2940-1

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Einen Kommentar über Kohelet zu schreiben, erfordert angesichts der Fülle an Literatur eine gehörige Portion Mut. Zudem wird kaum ein anderes alttestamentliches Buch theologisch so unterschiedlich bewertet wie Kohelet. Antoon Schoors geht dieses Wagnis ein und legt als sein opus magnum einen im doppelten Sinne gewichtigen Kommentar vor. Allein die Bibliografie umfasst 46 Seiten, hinzu kommt Spezialliteratur zu jeder Perikope. Mit Schoors, Professor an der  Katholieke Universiteit Leuven, konnte ein ausgewiesener Kohelet-Spezialist für die Kommentierung gewonnen werden. 1992 und 2004 erschien sein Doppelband The Preacher Sought to Find Pleasing Words mit grammatischen und semantischen Untersuchungen zu Koh. 1998 gab er den Sammelband Qohelet in the Context of Wisdom heraus und nicht von ungefähr ist seine Festschrift dem Thema The Language of Qohelet in its Context gewidmet. 20 Artikel zu Koh weisen auf eine intensive Beschäftigung des Verfassers mit diesem faszinierenden Bibelbuch.

Entsprechend den Vorgaben der Reihe fehlen jegliche Register. Jede Perikope wird in gleicher Weise behandelt: Auf die eigene Übersetzung folgt die Angabe von Spezialliteratur. In den „Essentials and perspectives“ wird das Wesentliche gebündelt. Die „Scholary Exposition“ ist zweigeteilt: Auf ein Einführung, die meist Fragen von Struktur und Einbindung in den Kontext behandelt, folgt die eigentliche Exegese. Versweise erscheint nochmals die Übersetzung, danach die einzelnen hebräischen Phrasen. Hier liegt die große Stärke des Exegeten, der in beeindruckender Gründlichkeit und philologischer Expertise Wort für Wort auslegt. Allein die ersten beiden Verse nehmen fast 20 Seiten Kommentierung ein (was aber die Ausnahme darstellt). Bei der Übersetzung von הֶבֶל hebel, dem Lieblingswort Kohelets (38×), geht Schoors von einer Ambiguität aus und gibt mal mit Worten für „vergänglich“, mal mit „absurd“ wieder. Zum anderen werden Intratextualität (Bezüge innerhalb des Buches) und Intertextualität (Bezüge innerhalb der hebräischen Bibel) einer akribischen Detailanalyse unterzogen. Beeindruckend ist, wie die Fülle an Literatur in der Einzelkommentierung verarbeitet wird. Standardmäßig wird zunächst die Septuaginta einbezogen, vor allem um auf Unterschiede aufmerksam zu machen. Aber auch andere alte Übersetzungen kommen regelmäßig zu Wort, zudem Kirchenväter und jüdische Exegeten.

Schoors lehnt die Minderheitenmeinung von Fredericks ab, der das Buch für vorexilisch  hält und eine Entstehung in der Königszeit  annimmt. Er datiert es, wie heute üblich, in die hellenistische Zeit (3./2. Jhd. v. Chr.), zieht in der Kommentierung aber kaum zeitgeschichtliche Bezüge heran (zu 3,1 werden einige griechische Parallelen genannt, zu 9,7-9 auch die bekannten altorientalischen Parallelen). Trotz zahlreicher Vorschläge sieht er keine übergreifende literarische Struktur, sondern lediglich thematische Einheiten. Auf zehn Seiten diskutiert Schoors verschiedene Gliederungsvorschläge, u. a. den fünfteiligen Aufbau von J. J. Rambach in seiner Dissertation (11f). Alle vorgestellten Ansätze, die auf inhaltlichen oder formalen Kriterien beruhen, wiesen aber Schwächen auf. Schoors selbst orientiert sich deshalb an Zimmerli (KAT) und sieht neben der Überschrift und dem rahmenden Mottovers (1,2; 12,8) insgesamt 22 Abschnitte: 1,3-11; 1,12-2,26; 3,1-15; 3,16-22; 4,1-16; 4,17-5,8; 5,9-6,9; 6,10-12; 7,1-14; 7,15-24; 7,25-29; 8,1-9; 8,10-17; 9,1-12; 9,13-10,3; 10,4-7; 10,8-11; 10,12-15; 10,16-20; 11,1-6; 11,7-12,7; 12,9-14. Durch die Ablehnung einer umfassenden Struktur wird die Möglichkeit ausgeschlossen oder zumindest eingeschränkt, dass eine Entwicklung innerhalb des Buches stattfindet. Nach Ansicht des Rezensenten werden viele Themen in den ersten Kapiteln angeschnitten, im weiteren Verlauf des Buches dann aber unter neuer Perspektive weiterentwickelt. Die ersten, teils recht negativ erscheinenden Kapitel behalten auf diese Weise nicht das letzte Wort und werden durch spätere Aussagen relativiert. Ein Hinweis darauf ist, dass die Phrase רְעוּת רוּחַ „Haschen nach Wind“ ein neuntes und letztes Mal in 6,9 erscheint, also nur in der ersten Buchhälfte.

Schoors hält Kohelet noch am ehesten für einen Skeptiker und Agnostiker, der als Nonkonformist sichere Aussagen ablehnt, stattdessen aber viele Fragen stellt. Das Gottesbild Kohelets sei stark deterministisch geprägt (21). In Übereinstimmung mit dem Umschwung in der Forschung der letzten Jahre kann der Autor aber auch verschiedene positive Dinge im Buch erkennen: „We can profit much from some sayings of the book … Qoh. also teaches us to live with unsolved or insolvable problems … On the contrary, he gives practical advice“ (25). Kohelet stelle ein Korrektiv zum christlichen Gottesbild dar, wenn Gott als Vater vereinnahmt zu werden droht. Auf der anderen Seite bedürfe Kohelets fehlende Perspektive eines Lebens nach dem Tod in gesamtbiblischer Hinsicht ein Korrektiv (25).

„Des Büchermachens ist keine Ende.“ Präsentiert Schoors einen weiteren von vielen neuen Kohelet-Kommentaren? „Nichts Neues unter Sonne“? Der Rezensent nimmt gerne die Kommentare von Krüger (BKAT) und Schwienhorst-Schönberger (HThKAT) in die Hand, die durch ihre Geschlossenheit und theologische Synthese überzeugen und sich von einer pessimistischen Deutung absetzen. Bei detaillierten philologischen Fragen wird Schoors zukünftig seine erste Wahl sein.

 

Dr. Walter Hilbrands, Dozent für Altes Testament und Dekan an der Freien Theologischen Hochschule Gießen

 

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