Historische Theologie

Steven Paas: Johannes Rebmann

Steven Paas: Johannes Rebmann. Ein Diener Gottes in Afrika vor dem Aufkommen des westlichen Kolonialismus, Missiologica Evangelica 15; Edition Missiotop – Mission Academics 42, Bonn: VKW, 2018, 384 S., € 23,–, ISBN 978-3-86269-163-0

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Johannes Rebmann (1820–1876) ist der „Entdecker“ des Kilimandscharo. Über diesen Sachverhalt hinaus ist über den Missionar aus dem schwäbischen Gerlingen eher nichts bekannt. Doch einer Gruppe von Liebhabern ist sein missionarisch-sprachliches Wirken über die Entdeckung hinaus wichtig. Im Gegensatz zu seinem württembergischen Kollegen Ludwig Krapf, der in seiner Heimatstadt Tübingen mit den üblichen Negativ-Klischees über Mission kritisiert wird, wird Rebmanns Lebenswerk in seinem Heimatort Gerlingen hochgehalten. Und ebenfalls im Gegensatz zu hunderten von Basler Missionaren, über die nichts außer den Personalakten in der Schweiz und in England bekannt ist, haben die Rebmann-Freunde sich fleißig um dessen Nachlass gekümmert und alles zusammengetragen, was bisher zu finden war. An dieser Stelle höre ich den abgrundtiefen Seufzer von Erforschern pietistischer Missionsgeschichte: Es sollte noch mehr solche Kreise geben!

In seiner Einführung und in der Bibliographie (17–26, 325–328) führt Steven Paas die gefundenen und die verlorenen Rebmann-Originale auf (vgl. 202–206). Dienstliche und private Tagebücher, die als Arbeitsnachweis geschrieben wurden, sowie Briefe sind die hauptsächlichen Quellen heutiger Geschichtsschreibung.

Der Niederländer Steven Paas kommt nicht vom heimatgeschichtlichen Interesse des Gerlinger Rebmann-Freundeskreises (http://www.johannes-rebmann-stiftung.de) her. Als Chichewa-Spezialist, als Ostafrika-Missionar, Missiologe und Sprachforscher ist Paas auf Rebmann als Autor des damals so genannten „Kiniassa“-Wörterbuchs gestoßen (vgl. im Vorwort 11f). Er publizierte seine Erkenntnisse über Rebmanns Leben und Werk zuerst auf Englisch (Johannes Rebmann: A Servant of God in Africa before the rise of Western Colonialism, Missiologica Evangelica 14, Bonn: VKW, 2018; Eugene: Wipf & Stock; Nürnberg: VTR u. Bonn: VKW, 2011) Es ist Dr. Klaus Wetzel sehr zu danken, dass er Paas’ Werk ins Deutsche übersetzt hat, so dass es jetzt im Verlag für Kultur und Wissenschaft von Thomas Schirrmacher in Bonn erscheinen konnte.

Paas’ Monographie erweitert unser Wissen über Johannes Rebmann, der bisher wegen fehlender weiterer Quellen überwiegend durch die Brille seines älteren und kritisch referierenden Kollegen Ludwig Krapf wahrgenommen wurde. Über die ersten neunzehn Lebensjahre Rebmanns in Gerlingen, Basel und London ist allerdings immer noch wenig bekannt, ebenso über die zwei Jahre auf Sansibar und die letzten eineinhalb Jahre seines Lebens in London, Gerlingen und Korntal (Einführung, 24).

Nach einer Übersicht über die Quellen (Einführung, 17–26) und Rebmanns geistliche Wurzeln im Pietismus besonders in Württemberg (Kap. 2, 27–43) stellt Paas die frühen Jahre Rebmanns in Gerlingen, Basel und Islington dar (Kap. 3, 45–58).

Das vierte Kapitel „Mit Johann Ludwig Krapf“ (59–103) ist das umfangreichste des Buchs. Hier schildert Paas ausführlich die Meinungsverschiedenheit zwischen Krapf und Rebmann. Krapf wollte mit einer Kette von Missionsstationen Zentralafrika erreichen, Rebmann hielt dies für unmöglich (z. B. 84, 95). Außerdem räumte Rebmann kolonisatorischer Arbeit größere Bedeutung ein. Die aussendende Church Missionary Society war sich nicht sicher, ob die in den ersten Jahren scheinbar erfolglose Mission in Ostafrika ganz aufgegeben werden sollte. Rebmann reiste 1851 nach Kairo (Kap. 5, 105–127), um Emma Kent († 1866, vgl. 153–155) zu heiraten. In den 1850er-Jahren arbeitete er mit Hilfe des einheimischen Sprachhelfers Salimini an seinem Kiniassa-Wörterbuch (112). Der 1854 geborene Sohn Samuel überlebte nur wenige Tage (112f). Auf der Reise nach Aden und Kairo 1855–1856 überlebt das Ehepaar Rebmann einen Schiffbruch nur knapp (115). 1858 verließen die Rebmanns ihre Missionsstation in Kisuludini und siedelten wegen plündernder und mordender Massai-Banden in ihrer Gegend für zwei Jahre zuerst nach Mombasa und dann nach Sansibar über (121). Die Zeit auf Sansibar benutzte Rebmann zur Arbeit an drei Wörterbüchern in Kisuaheli, Kinika und Kiniassa (121). Bei seiner Rückkehr konnte Rebmann mit Freude feststellen, dass sich nach den Terrorüberfällen der Massai Einheimische dem christlichen Glauben zugewandt hatten (123f).

Neben Früchten der Arbeit gab es auch Rückschläge (Kap. 6, 129–158). Nach dem ersten Christen Mringe, der noch von Krapf getauft wurde, wurden ab 1860 nach einer längeren Probezeit weitere Bewerber getauft (132, Gunja, Nyondo). Die CMS hatte inzwischen allerdings für geraume Zeit ihr Interesse an der Ostafrikamission verloren (140). Afrika-Reisende, die als Gäste aufgenommen wurden, setzten sich zunehmend für ein Verbot der Sklaverei ein (vgl. 144–148, 160f). Die kontinuierliche Arbeit Rebmanns wird gelobt, seine zunehmende Erschöpfung und Blindheit machten es jedoch nötig, dass er durch weitere Mitarbeiter abgelöst wurde (Kap. 7, 159–191).

Im Jahr 1875 machte sich Rebmann auf den Weg in die Heimat, wo er nur noch 18 Monate leben sollte (Kap. 8, 193–209). Ludwig Krapf übernahm die literarische Arbeit des fast Erblindeten und war als Heiratsvermittler an der zweiten Ehe von Rebmann mit Luise Däuble tätig (200f), bevor Rebmann am 4. Oktober 1876 starb (207).

In vier weiteren Kapiteln stellt Paas den Ertrag von Rebmanns Lebenswerk thematisch zusammen (211–324). Als Sprachforscher steht Rebmann leider im Schatten seines Kollegen Krapf, der die Qualität seiner eigenen Arbeit überschätzte und auch von der Nachwelt mehr wahrgenommen wurde (Kap. 9, 211–241). Im Kapitel über das Problem der ostafrikanischen Sklaverei (Kap. 10, 243–263) setzt Paas Rebmanns Chichewa-Sprachhelfer Salimini ein Denkmal. Im zweitlängsten Kapitel des Buchs (Kap. 11, 265–305) stellt Paas Rebmann – immer im Vergleich mit Krapf – als Missionar vor: seinen ausgeglichenen Charakter, seine Berufung und Arbeitsmethode, seine missionarische Botschaft und Theologie, die sich von Krapfs Orientierung an Hahn und Oetinger unterscheidet (300–304). Abschließend zeichnet Paas die Wirkungsgeschichte von Rebmanns Lebenswerk bis in die Gegenwart nach (Kap. 12, 307–324). Zwei Anhänge widmen sich dem Chichewa von Salimini (Andrew Goodson, 339–356) und der Chichewa-Lexikographie (Paas, 357–375).

Steven Paas hat sich mit seiner Rebmann-Monographie große Verdienste für die Darstellung der ostafrikanischen Missionsgeschichte erworben. Rebmanns Bedeutung für die Anfänge ostafrikanischer Linguistik wird angemessen gewürdigt. Paas korrigiert mit zahlreichen neu ausgewerteten Quellen kritisch das einseitige Bild, das Krapf in seinen Reiseberichten und Briefen zeichnet (z. B. 94–98). Krapf hat als der ältere, erfahrenere Missionar in paternalistischer Weise den Wert von Rebmanns Arbeit anscheinend oft nicht richtig erkannt und gewürdigt. Es ist Paas zu danken, dass er Fehler in Krapfs Sicht aus den Quellen widerlegen konnte. Dieses Buch und sein englisches Pendant werden zukünftig unverzichtbar sein für jeden, der sich mit der Geschichte des Christentums in Ostafrika beschäftigt.

Pfarrer Dr. Jochen Eber, Margarethenkirche Steinen-Höllstein, Redakteur des Jahrbuchs Biblisch erneuerte Theologie