Adam D. Hensley: Covenant Relationships and the Editing of the Hebrew Psalter
Adam D. Hensley: Covenant Relationships and the Editing of the Hebrew Psalter,LHBOTS 666, London – New York, NY: T&T Clark, 2018, Hb., 311 S., US $ 91.99, ISBN 978-0-5676-7910-9
Mit B. Childs ist neben der Vielheit und Unterschiedlichkeit die Einheit der biblischen Schriften (wieder) in den Blick gekommen. Bei den Psalmen ist der Spannungsbogen noch verstärkt und artikuliert sich in der Diskussion, ob diese „Schriftrolle“ als Anthologie oder Komposition einzustufen ist. Das Programm von Childs auf den Psalter anwendend, hat G. Wilson mit seiner Dissertation (1985) der Komposition-These und damit der „kanonischen“ Sichtweise Bahn gebrochen.
In dessen Linie steht die hier vorzustellende Monographie (am lutherischen Concordia Seminary, St. Louis, KY, erlangter Ph.D.), obwohl Wilsons Ansichten öfters in Frage gestellt werden. Der in Adelaide unterrichtende Australier Adam Hensley stellt und verbindet zwei Grundfragen: Wie ist der Psalter strukturiert bzw. „ediert“? Und: Was ist dessen eingeschriebene Botschaft, sein „genetischer Code“? Die Argumentation wird in drei Hauptteilen entwickelt, gerahmt von Einleitung und Schlussfolgerungen. Den insgesamt 15 Kapiteln sind ein Appendix (Anspielungen auf die Bundesformel) sowie Bibliographie und Stellenregister beigegeben.
Wie im Titel „Covenant Relationships“ angezeigt, sieht der Vf. Absicht und Ziel der Herausgeber des Psalters darin, dass sie Abraham-, Mose- und David-Bund gleichsam als theologische Einheit fassen und die (Er-)Füllung durch einen „future Davidic successor“ sehen. Der Psalter übertrage die Mose zugeschriebene Funktion des (Bundes-)Mittlers bzw. Erneuerers des Bundes (vgl. Ex 32–34) dem „neuen David“. Dieser erfüllt „traditionally Abrahamic convenantal promises, supersedes Moses as intercessor for the people in the face of their covenantal unfaithfulness, and is faithful to Mosaic covenantal obligations“ (9). Hensley erkennt keinen entscheidenden Wechsel zwischen Ps 89 und 90: Der David-Bund ist nicht gescheitert, vielmehr liegt im Psalter eine Kohärenz und Kontinuität der davidisch-messianischen Perspektive vor, die sich in der Royalisierung von Bundesaussagen äußert. Dabei nimmt er Ansätze von J. Grant (idealer König erfüllt Königsgesetz von Dtn 17) auf.
Das Verstehensmodell von Hensley ist synchron und der proto-MT den Qumran-Befunden vorgelagert. Entsprechend wird das Gewicht auf interne Evidenzen für editorielle Absichten und theologische Ausrichtung gelegt. Neben der Gruppenbildung von Psalmen mit Autorzuweisungen u. a. m. ist namentlich die Auswertung des editoriellen Vermerks Ps 72,20 für seinen Ansatz bedeutsam: David ben-Jesse (Filiation, vgl. 2Sam 23,1) wird als Markierung des letzten Gebets des „originalen“ (historischen) David gefasst. Entsprechend bildet Ps 72 (nicht Ps 89) die „Wasserscheide“ zwischen einem historischen David (Teilbücher I und II) und einem zukünftig-eschatologischen David(iden) (Teilbücher III–V, vgl. ähnlich das eschatologische Psalter-Verständnis von D. Mitchell).
In den weiteren Kapiteln werden die verschiedenen Phänomene des Bundes, und wie er sich im Psalter ausprägt, behandelt. Dazu gehört eine Sichtung der rund 20, stets im Singular erscheinenden berith-Belege (von Ps 25 bis 132). Der Schluss von Ps 78 (Ersterwähnung Davids nach Ps 72,20) verweist auf zukünftige Davididen. In Ps 89 bleibt die Dynastieverheißung an David unkonditional (V. 34–38; die Pluralaussagen in V. 31–33 betreffen spätere Amtsinhaber), und eine Schuldhaftigkeit des gegenwärtigen Davididen wird nicht ausgesagt. Die Botschaft der Sequenz der Teilbücher III–IV lautet: Das Volk hat gesündigt (III), aber deren Hoffnung liegt in der Rückkehr von „David“, durch den JHWH gnädig den Bund wie in der Frühzeit erneuert (IV). In Ps 132 kommen David und der Zion wie in Ps 78 zusammen, unter Fokussierung auf den Davidbund, der den Mosebund einschließt. Es folgen Hinweise, die zeigen, wie David den Mosebund einhält: Bezugnamen auf das šema‘ (die deutlichsten Anspielungen finden sich allerdings in den Asaph-Psalmen 50 und 81), Bezüge auf tora und Dekalog-Gebote, Zwei-Wege-Topik (Gerechte ó Frevler), Furcht JHWHs. Gemäß Vf. stellt der Psalter David als „Mose-like intercessor“ dar. Genannt werden Bezüge auf Schilfmeerlied, Sinai/Horeb, Landgabe, Aaron-Segen, Knechts- und Sohnbezeichnungen etc. (erstaunlicherweise fehlt die Parallele der „testamentarischen“ Lieder Dtn 32 und 2Sam 22 // Ps 18). In Ps 72, wo David für Salomo betet, werden in V. 17 zwei Abraham-Verheißungen royalisiert (großer Name und Segen für alle Völker). Vertiefte Aufmerksamkeit erfährt die sog. „Gnadenformel“ (Ex 34,6), die als editoriell wesentlich eingestuft und durch welche die mit Mose verbundene Rolle des Bundesmittlers auf David übertragen wird (ausführlich erläutert werden Ps 86,15; 103,8; 145,8). Am Schluss wird der (überschriftslose) Psalteranfang (Ps 1f) bedacht und dabei (mit J. Grant) Ps 1 im Licht von Ps 2 interpretiert: Der Buchanfang stellt als Leitmotto das Bild des idealen Königs, der Tora-Frömmigkeit verkörpert und frevlerischen Nationen gegenübersteht, in den Vordergrund.
Ist mit David als historischem wie künftigem/eschatologischem Bundesmittler das „Genom“ des Psalters identifiziert? Tatsächlich hat Vf. wichtige und teils auch neue „Lebensbausteine“ des Psalters herausgearbeitet. Seine These der Verklammerung der mit Abraham, Mose und David verbundenen Bünde ist weiterer Überlegungen wert, auch wenn „covenant relationships“ als umbrella term daherkommt. Dass David die signifikanteste (menschliche) Gestalt im Psalter ist, steht außer Frage. Ob und inwiefern die Psaltereditoren mit Abraham und Mose verbundene Aussagen David „gutschreiben“, steht freilich auf einem andern Blatt. Dem Vf. ist gegenüber dem herkömmlichen Abfolgemodell „davidischer Psalter“ (Ps 2–89) => „theokratischer Psalter“ (Ps 90–145/150) insofern Recht zu geben, dass dort die Rolle Davids in den Teilbüchern IV–V und damit im Psalter insgesamt nicht hinreichend zum Tragen kommt. Der „historische“ David der Teilbücher I–II bleibt eher blass; der Fokus liegt bei Hensley auf dem künftigen David(diden).
An diesen groß angelegten Wurf einer Psaltertheologie stellen sich methodische wie inhaltliche Fragen: Ob Ps 72,20 eine Zweiteilung der David-Sicht in der Psalteredition zu tragen vermag? Sind die David-Aussagen in Buch III (Ps 78; 86; 89) entsprechend wirklich primär zukunftsgerichtet? Wird nicht zu viel unter „David“ subsumiert (jeder Psalm mit David-Präskript wird einbezogen und weitere darüber hinaus werden teils „davidisiert“)? Welches ist der Stellenwert der „Weisheit“ – der Begriff fehlt fast völlig und seine Inhalte werden Mose zugeordnet – in der Gestalt(gebung) des Psalters? Bei seinem synchronen Ansatz macht es den Anschein, dass er gegenüber den üblichen historischen Staffelungen eine Psalterredaktion in einem Zug präferiert. Allerdings bleibt diesbezügliches manches unklar; das betrifft auch Zeit, Identität und Absicht der Psaltereditoren (Kontextuierung). Methodisch heikel ist die Frage, welche Kennzeichen dem (früheren) Einzelpsalm zuzuweisen sind und welche zur Signatur des Psalters gehören, also auf Herausgeber zurückgehen und für eine Psaltertheologie (die mehr ist als eine Psalmentheologie) in Anschlag zu bringen sind. Bei der Fülle von „Daten“ sind Auswahl, Gruppierung und Relationierung sowie daraus gezogenen Schlussfolgerungen, insbesondere wenn sie mit einem intentionalen Anspruch verbunden sind, schnell zirkulär und schwer zu objektivieren. In dem Sinn ist die angegangene Doppelaufgabe der Darstellung einer Psaltertheologie in Verbindung mit der Nachzeichnung der Buchedition ein ambitiöses Unterfangen.
Kurzum: Hensley hat dankenswerterweise relevante und interessante Baustrukturen und Buchinhalte herausgearbeitet, aber eine Identifizierung des „Psalter-Genoms“ ist m. E. nicht gelungen. Ich füge – nach Jahren eigener Psalmenforschung – an: Es bleibt unsicher, ob dies je gelingt (und gelingen soll).
Beat Weber, Pfr. Dr. theol., Basel, Research Associate am Department of Ancient Languages and Cultures, Universität von Pretoria, Pretoria, Südafrika