Reformierte Bekenntnisschriften Band 3/2, 2. Teilband 1647–1675
Reformierte Bekenntnisschriften Band 3/2, 2. Teilband 1647–1675, bearb. von Emidio Campi u. Torrance Kirby, Neukirchener Theologie, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2016, Ln., 528 S., € 78,– , ISBN 978-3-7887-3070-3
Zum 1. September 2016 wurde der Programmbereich „Neukirchener Theologie“ der Neukirchener Verlagsgesellschaft von Vandenhoeck & Ruprecht übernommen. Auf Jahresende 2016 erschien der bisher letzte Band der Reihe „Reformierte Bekenntnisschriften“ 3/2, 2. Teil, der die Jahre 1647 bis 1675 umfasst. Andreas Mühling bemerkt im Vorwort zu dem Teilband: „Mit ihm wird die inhaltliche Konzeption, die der Herausgeberkreis unter Professor Dr. J. F. Gerhard Goeters erarbeitet hat, zu ihrem Abschluss geführt“ (VII, unpag.). – Dies mag der Grund dafür sein, dass seitdem kein weiterer Band erschienen ist.
In einer Anmerkung zum letzten Dokument von 3/2,2, der Helvetischen Konsensformel von 1675, kann man über die weitere Planung schon in Band 1/1 lesen: „Über die Fortsetzung der Edition über diesen Text hinaus besteht im derzeitigen Herausgeberkreis Einvernehmen; es wurden aber noch keine Beratungen über eine Textliste aufgenommen … Es besteht ebenfalls Einvernehmen darüber, daß die reformierte Lehrentwicklung nach der Barmer Theologischen Erklärung in dieser Edition nicht erfasst wird“ (1/1, 22, Anm. 61). – So müssen sich die Benutzer der Edition erwartungsvoll gedulden, welche reformierten Bekenntnistexte seit Anfang des 19. Jahrhunderts (Sammlung von Titeln auf den Seiten 22 bis 25 von Band 1/1) in weiteren Bänden erscheinen werden.
Teilband 3/2,2 veröffentlicht in chronologischer Reihenfolge an erster Stelle die bedeutenden und in vielen englischsprachigen Kirchen rezipierten Texte des Westminsterbekenntnisses (Nr. 81, The Westminster Confession of Faith 1647, 201–273), der beiden Westminster-Katechismen (Einleitung zu beiden Texten: 275–285; Nr.82, Westminster Larger Catechism 1647, 286–352; Nr. 83, Westminster Shorter Catechism 1647, 353–371, dieser auf Deutsch: https://kirchenbund.ch/de/themen/ref-credoch/rb-14-westminster-shorter-catechism, Stand: 1.10.2019). Am Ende steht die Helvetische Konsensformel von 1675 (Nr. 86, 437–465), das „spätgeborene Werk einer unerweichten Orthodoxie“, dessen normative Geltung „der von außen und innen anstürmende Zeitgeist“ in der ganzen Schweiz bis 1722 wieder beseitigt hat (BSRK, hg. v. E. F. K. Müller; LXV). – Danach legt die reformierte Bekenntnisbildung eine fast 150jährige Pause ein, um am Anfang des 19. Jahrhunderts mit Kirchenunionen und Erweckungsbewegung wieder neu einzusetzen.
Zwischen die Bekenntnisse aus England und der Schweiz sind zwei kürzere aus Italien und aus den kongregationalistischen Kreisen Englands eingefügt: Das Kurze Bekenntnis der Kirchen im Piemont (Nr. 84, Brieve Confession de foy des Eglises Reformées de Pietmont, 1655, 373–405, noch heute bei der Waldenserkirche in Geltung) und die Savoy-Declaration von 1658 (Nr. 85, 407–436), die aus kongregationalistischer Sicht das anglikanische Westminsterbekenntnis aufnimmt und Differenzpunkte einarbeitet: „The two documents agree substantially on most doctrinal points, and differ solely with respect to the definition of Christian liberty and the principles of ecclesiastical polity“ (408).
Eine Übersetzung von Thomas Schirrmacher machte es schon vor zwanzig Jahren möglich, den englisch-lateinischen Originaltext der Westminster Confession mit dem Text aller angeführten biblischen Belegstellen auf Deutsch nachzulesen (Der evangelische Glaube kompakt. Ein Arbeitsbuch; Das Westminster Glaubensbekenntnis von 1647 mit den Texten aller biblischen Belegstellen und mit den Abweichungen der presbyterianischen, kongregationalistischen und baptistischen Fassungen im Anhang. Übers., eingerichtet und eingel. von Thomas Schirrmacher, Hrsg., 1998; 2. Aufl. 2004; 3. Aufl. 2017). Dank einer dritten Auflage 2017 ist das wichtige Bekenntnis auf Deutsch wieder lieferbar.
Im Theologiestudium und bei der wissenschaftlich-theologischen Arbeit wird allerdings die Neukirchener Ausgabe des Originals zitiert werden. Inhaltlich überzeugt das Bekenntnis vor alle durch „biblische Klarheit, Präzision des Ausdrucks und völlige calvinische Konsequenz“ (BSRK, hg. v. E. F. K. Müller, XLVI) sowie durch die „reichen Schriftcitate“ (ebd.), die jeweils am Ende der Abschnitte sehr umfassend aufgeführt wurden. Auch im Großen Westminster-Katechismus mit seinen 196 Fragen und im Kleinen mit 107 Fragen setzt sich die umfangreiche Belegpraxis fort, so dass oft nur eine halbe Seite mit dem Text, die untere Hälfte mit Anmerkungen für die Belegstellen gefüllt ist. Kennzeichnend für das Bekenntnis von Westminster ist die Ablehnung der Apokrypha, die nicht in die Liste kanonischer Schriften aufgenommen wurden (211–213). Das hebräische AT und das griechische NT gelten als direkt von Gott eingegeben („immediately inspired by God“ / „immediate a Deo inspirata“, 214 / 215). Die Auslegung der Schrift durch die Schrift gilt als unfehlbar („The infallible rule of interpretation of Scripture, ist the Scripture itself“ / „Infallibilis Scripturam interpretandi regula est Scriptura ipsa“ (215). Im dritten Kapitel über Gottes ewigen Ratschluss wird die Prädestination auch zum ewigen Tod gelehrt (3.3, 218). Die Lehre von der Heiligung des Sabbaths ist sehr streng gefasst (251f).
In der Helvetischen Konsensformel von 1675 findet man die bekannte Wendung, dass im hebräischen Text der Bibel sowohl die Konsonanten als auch die Vokale von Gott inspiriert seien (454). Eine nach 1710 erschienene lateinisch-deutsche Ausgabe des Bekenntnisdokuments findet man im Internet unter der Adresse https://doi.org/10.3931/e-rara-15357 [Stand: 1.10.2019], ein modernisierter deutscher Text auf der Seite des Schweizer Kirchenbundes https://kirchenbund.ch/de/themen/ref-credoch/weiterf-hrende-projekte-und-texte [Stand: 1.10.2019]. – Diese inhaltlichen Hinweise mögen in der gebotenen Kürze der AfeT-Rezensionen zur eigenen Lektüre anregen! – Fünf Register für die Teilbände 3/1 und 3/2, 1 und 2 beschließen den 2. Teilband von Teil 3/2 (467–528).
Die große Edition reformierter Bekenntnisschriften hat seit 2002 langen Atem bewiesen (2002, 2006, 2007, 2009, 2009, 2012, 2015, 2016) und hat mit der Bearbeitung von Werken am Ende des 17. Jahrhunderts die klassische Epoche reformierter Bekenntnisbildung abgeschlossen. Alle Bände sind in den Afet-Rezensionen bzw. im vorangegangenen Jahrbuch für evangelikale Theologie vorgestellt worden (Bd. III/2,1 in https://rezensionen.afet.de/?p=244; JETh: I/1 in 18, 2004, 296f; Bd. I/2 und I/3 in 22, 2008, 257f; II/1 in 23, 2009, 332f; II/2 in 24, 2010, 323f; III/1 in 28, 2014, 293f, Bd). Sicher erwartet nicht nur der Verfasser dieses Beitrags den nächsten Band mit Bekenntnistexten aus dem 19. Jahrhundert, auf deren Auswahl wir – wie oben angemerkt – gespannt sein dürfen!
Pfarrer Dr. Jochen Eber, Margarethenkirche Steinen-Höllstein